Schluß mit cool (German Edition)
dem ich mich wirklich entspannen konnte, aber ich war aufgewühlt, als hätte ich ein paar Tassen Kaffee zuviel getrunken. Wieder ertappte ich mich beim Durchstreifen des Hauses, nippte nachdenklich an meinem Bier, betrachtete Lampen, Bilder oder alte Familienfotos, als hätte ich sie noch nie gesehen, dabei machte ich beharrlich einen großen Bogen um den kleinen Raum neben dem Flur, wo der Computer auf meinem Schreibtisch thronte wie eine Götzenstatue. Ich widerstand ihm eine gute halbe Stunde lang, bis mir mein Widerstand bewußt wurde, dann setzte ich mich hin, fuhr das Ding hoch und tippte ein: www.peephall.com .
Langsam baute sich eine Website auf dem Bildschirm auf. Ich sah das Haus an der Ecke, ein wuchtiger, formloser, weiß verputzter Bau vor einem neutralen Hintergrund, und davor – denn das Bild nahm von oben nach unten Gestalt an – erschienen jetzt die Mädchen. Sie waren zu siebt, drängten sich Schulter an Schulter, um auf das Bild zu passen, und sie trugen tief ausgeschnittene Oberteile und strahlten, als wollten sie Lipgloss oder ein Antiplaquemittel verkaufen. Samantha war die zweite von links und starrte mir mitten ins Gesicht. Vierundzwanzig Stunden nonstop! blinkte ein Aufmacher. Sehen Sie unseren sexy Studentinnen dabei zu, wie sie Schaumbäder nehmen, Kissenschlachten in Unterwäsche veranstalten und nackt ein Sonnenbad am Pool nehmen! Sie versäumen keinen einzigen intimen Moment! In einer pulsierenden Laufleiste auf der linken Seite fanden sich Köderwerbungen für ähnliche Websites, etwa Kamera total und Teenager-Kätzchen, heiß und sexy . Die Abogebühr für Peep Hall betrug sechsunddreißig Dollar pro Monat. Ich zögerte keine Sekunde.
Sobald ich drin war, bot sich mir ein wahres Sammelsurium an Auswahlmöglichkeiten. Es gab insgesamt vierzig Kameras, und ich konnte mich zwischen zwei Badezimmern, drei Schlafzimmern, Swimmingpool, Küche, Wohnzimmer und dem Sonnendeck entscheiden. Ich hatte mittlerweile mein drittes Bier in Arbeit – auf leeren Magen noch dazu –, und ich dachte nicht wirklich nach, bewegte mich rein instinktiv in eine Richtung, die ich gar nicht hätte bestimmen können. Mein Puls raste. Ich empfand Schuldgefühle, hatte Verfolgungswahn, wurde von Trauer und Lust zugleich verzehrt. Der Ausdruck geiler alter Spanner schoß mir durch den Sinn, und ich klickte auf »Küche«, weil ich nicht nach »Oberes Bad« gehen konnte, noch nicht jedenfalls.
Der Raum, der nun sichtbar wurde, war sauber, unnatürlich sauber, wie die Kulisse für eine Fernseh-Kochshow: Stieltöpfe baumelten an Wandhaken, Steingutbehälter für Mehl, Zucker, Tee und Kaffee reihten sich auf einer gefliesten Arbeitsplatte, farblich abgestimmte Geschirrtücher hingen in zwei silbernen Ringen an einem Schränkchen unter der Spüle. Aber natürlich war das ja auch eine Kulisse, das ganze Haus war Kulisse, denn genau darum ging es doch: durch die Wände sehen können, wie Superman, wie Gott. Ich klickte auf Kamera 2, und plötzlich erschienen Schultern auf dem Bildschirm, weibliche Schultern, in Grau gekleidet und mit einem blonden Pferdeschwanz, der zwischen den Schulterblättern herunterhing. Die Schultern duckten nach unten weg und kehrten gleich wieder zurück, sie arbeiteten angestrengt und heftig an irgend etwas, und jetzt war ein blonder Kopf von hinten zu sehen, ein junges Gesicht im Profil, und ich verspürte meinen ersten leisen Schauer des Entdeckens: sie schlug Eier in eine Schüssel. Die heißen sexy Teenager-Studentenkätzchen kriegten Omelette zum Abendessen, genau wie ich... Aber nein, da tauchte eine zweite Frau auf, kurze Haare, fast knabenhaft, eindeutig nicht Samantha, sie hielt eine Schachtel in der Hand, und sie machten – was machten sie da? –, sie machten Schokokekse. Schokokekse . Ich hätte fast geweint, so viel einfache, schöne, kristallklare Schönheit lag in diesem Tun.
An diesem Abend – und es wurde ein langer Abend, ein Abend, der sich mitten durch die letzten Stunden des alten Tages und hinein in die Nachtstunden des neuen dehnte – verließ ich die Küche keine Minute lang. Samantha kam um zwanzig nach sechs herein, gerade als die Blondine (Traci) die Kekse aus dem Backofen holte, und in den folgenden fünf Minuten tauchte die gesamte Belegschaft auf, und bald wuselten vierzehn Hände über dem heißen Blech, Finger fuhren in Münder, dicke dunkle Krümel klebten auf Lippen, auf T-Shirts und enganliegenden Tops, auf den makellosen Fliesen von Arbeitsplatte und
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