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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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Fußboden. Sie gossen sich Milch, Saft, Eistee, Cola ein, sie wechselten flatterhaft die Plätze, saßen auf Stühlen oder lehnten sich gegen die Arbeitsplatte, den Kühlschrank und den Geschirrspüler, jede ihrer Bewegungen und Gesten eine Offenbarung. Mehr noch: sie plauderten, kicherten, hielten Volksreden, redeten wild durcheinander, und ihre Mienen sprachen Bände von der Kraft und Lebendigkeit ihrer stummen Worte. Was sagten sie nur? Was dachten sie? Schon malte ich mir die Dialoge dazu aus (»Komm jetzt, sei nicht so gierig, laß noch was für die anderen übrig!«, »Ach ja? Und wer hat denn hier seinen Arsch hochgekriegt und ist in den Laden rübergegangen, um die Backmischung für die Kekse überhaupt einzukaufen?«), und so etwas kannte ich aus keinem Roman, keinem Film, keiner sonstigen Erfahrung. Ich meine, natürlich hatte ich schon Frauen zusammen gesehen, miteinander reden hören, sie vielleicht sogar mal belauscht, und Männer und Frauen und Kinder auch, aber das hier war anders. Das hier war nur für mich. Meine Privatvorstellung. Und Samantha, die Frau, die in zu engen Stöckelschuhen meinen Gartenweg entlanggegangen war, spielte eine Hauptrolle dabei.
    Am Morgen war ich in aller Frühe wach und ging ohne Umweg wieder an den Computer. Eigentlich hätte ich mich rasieren, kämmen, anziehen, etwas essen, Harn lassen, an meinem Roman arbeiten, die Stufen des Uni-Stadions hinauf- und hinunterjoggen, meine Rechnungen zahlen, die Zeitung lesen, den Wagen zum Ölwechsel bringen sollen. Die Erde drehte sich weiter. Die Menschen waren wach und in Aktion, fertig für den neuen Tag. Ich aber saß in einem kalten, dunklen Haus, in eine Decke gewickelt, und klickte mich in die Peep Hall ein.
    Nichts rührte sich. Ich hatte Samantha und dem kurzhaarigen Mädchen (Gina) in der Nacht noch zugeschaut, wie sie die Küche aufräumten, alle Krümel zusammenfegten, Teller und Gläser in den Geschirrspüler stellten, das Keksblech auf der Arbeitsplatte einweichten, und dann hatte ich die beiden am Küchentisch sitzen sehen, mit ihren Büchern und einem Radiorecorder, wie sie die Seiten umblätterten, Notizen machten und sich dabei im Takt der stummen Musik wiegten. Jetzt sah ich das Backblech, das immer noch auf der Arbeitsplatte lag, dahinter auf der Wand ein pfirsichfarbenes Band aus Sonnenlicht, Teller reihten sich auf dem Abtropfgestell, die Mikrowelle schimmerte silbern – die Farben stimmten irgendwie nicht, dachte ich, sie waren alle falsch. Ich betrachtete die leere Küche in einer Art Trance, und dann, ohne weitere Umstände, klickte ich auf »Oberes Bad«. Es gab dort zwei Kameras, eine für die Dusche, eine für die Toilette, und beide starrten fad ins Leere. Daraufhin wechselte ich zu »Unteres Bad« und wurde mit einer verschwommenen Bewegung belohnt, denn hier kam gerade eines der Mädchen – es war Cyndi, oder nein, Candi – mit steinerner Miene in einem Flanellnachthemd hereingeschlurft, das sie hinten hochzog, während sie sich schwerfällig auf den Toilettensitz plumpsen ließ. Ihre Augen waren geschlossen – sie träumte noch weiter. Es folgte die verschlafene, langsame Benutzung des Klopapiers, ein beiläufiges Abspülen der Fingerspitzen, dann war sie wieder weg. Ich klickte mich zu den Schlafzimmern, zu allen dreien in rascher Folge, bis ich Samantha gefunden hatte, eine leise atmende Gestalt unter einer Steppdecke in einem Einzelbett an der hinteren Wand. Sie lag von mir weggedreht, eingerollt, ihr Haar ergoß sich über das Kissen. Ich weiß nicht, was ich empfand, als ich sie dort beobachtete, schlafend und selbstvergessen, während jeder Widerling, Sadist, Perverse und Onanierer mit sechsunddreißig Dollar in der Tasche sie beglotzte, aber das Gefühl war nicht einmal ansatzweise sexuell. Es ging weiter, wesentlich weiter. Ich beobachtete sie nur einfach, wie eine Art schützender Geist, beobachtete sie, bis sie sich umdrehte und ich die Träume hinter ihren Lidern sehen konnte.
    An diesem Tag kam ich zu spät zur Arbeit – dienstags und donnerstags mixe ich auch über Mittag die Drinks und gehe dann gegen fünf Uhr zu meiner normalen Abendschicht wieder hin –, aber es lief ziemlich flau, und niemand schien es bemerkt zu haben. Ein paar Takte zum Hotel: es ist ein hübscher, eher kleiner Laden, so vom europäischen Typ, sitzt hoch oben auf dem höchsten aller Hügel und hat kleine, aber elegante Zimmer und kultiviertes – na, jedenfalls gebildetes – Personal. Das Restaurant ist eins

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