Schluss mit dem ewigen Aufschieben
wird die selbstschädigende Wirkung des Aufschiebens überdeutlich. Sie hängt mit einer Verleugnung der Wirklichkeit
zusammen, die in ihrer Unerbittlichkeit als so überwältigend wahrgenommen wird, dass das Abtauchen vor ihr, das Ausblenden
von Wahrnehmungen erforderlich wird. Dass Menschen sich selbst Schaden zufügen, wird traditionell mit Schuldgefühlen erklärt,
die dadurch ausgelöst werden, dass jemand eine ungeheure Aggressivität mit sich herumträgt, für die er sich unbewusst bestraft.
Die negativen Folgen des Aufschiebens wären so eine Art Selbstbestrafung für inneren Zorn, die Seelenqual eine Bußleistung.
Sicher gibt es Menschen, bei denen diese Erklärung zutrifft.
Sich als Aufschieber selbstschädigend zu verhalten heißt, in unangenehmen Gefühlslagen und mit der Aussicht auf schnelle Erleichterung
eine schlechte Wahl zu treffen. Sie treffen eine schlechte Wahl, wenn Sie unwichtigere Aufgaben mit größerer unmittelbarer
Erfolgsaussicht erledigen und Umstände schaffen, die zukünftige Probleme verursachen. Als Student ist es beispielsweise keine
gute Entscheidung, wenn Sie es ewig aufschieben, den Hochschullehrer, der Sie prüfen soll, einmal in der Sprechstunde aufzusuchen
und sich bekannt zu machen. Sie könnten sich beschnuppern und einen Eindruck vom jeweiligen Gesprächsstil gewinnen. Wenn Sie
ihm in der |51| Prüfung zum ersten Mal gegenüberstehen, sind Sie beide einander fremd, was das Risiko von Missverständnissen und Kommunikationsproblemen
steigert.
Die eindrucksvollsten Beispiele für selbstschädigende Wirkungen sind dort zu finden, wo von Krankheit bedrohte oder bereits
erkrankte Personen die erforderlichen Untersuchungen aufschieben beziehungsweise sich nicht an die Anweisungen der Ärzte halten.
Die
Noncompliance,
also die mangelnde Bereitschaft, einsehbar vernünftige und verbal bejahte ärztliche Anordnungen zu befolgen, stellt ein großes
Problem dar. Viele Menschen nehmen die ihnen verordneten Medikamente gar nicht, nur über zu kurze Zeit oder kombinieren sie
mit anderen, selbst verordneten. Die Folgen bestehen dann häufig in einer Verschlimmerung der Erkrankungen oder einer Gefährdung
der bereits erreichten Heilungserfolge.
Wenn Sie Ihr Aufschieben durch Selbsthilfe verändern möchten, ist es wichtig, dass Sie sich selbst gegenüber ein möglichst
hohes Maß an
Compliance
entwickeln. Ihre Bereitschaft, bei der Überwindung des Aufschiebens Einsatz zu zeigen, ist dann am größten,
wenn Sie an einer Verbesserung Ihrer Leistungsfähigkeit ebenso interessiert sind wie an einer Steigerung Ihres Wohlbefindens;
wenn Sie die Bereitschaft haben, Vorschläge auszuprobieren, von denen Sie glauben, dass sie vernünftig sind und Ihnen möglicherweise
helfen können;
wenn Sie eher seit drei oder dreizehn Jahren und nicht schon seit dreißig Jahren aufschieben;
wenn Sie sich darauf einstellen können, dass Ihre negativen Gefühle langsam, aber sicher, nicht jedoch auf einen Schlag verschwinden
werden;
wenn Sie bereit sind, ein paar Ihrer Gewohnheiten zu verändern und neue zu erwerben.
Die negativen Folgen des Aufschiebens bestehen in materiellen, sozialen oder seelischen Risiken. Sie können Geld verlieren,
Ihre Freunde verprellen und ein zunehmend geringer werdendes Selbstwertgefühl beklagen. Der kurzfristige Gewinn, sich von
unangenehmen Spannungen zu entlasten, hat leider einen Pferdefuß. Langfristig führt Ihr Vermeidungsverhalten dazu, dass Sie
nicht nur keine neuen Kenntnisse und Bewältigungsfertigkeiten erwerben, sondern die vorhandenen auch noch verlieren. Sie schädigen
sich selbst. Mit der Bereitschaft, |52| eingefahrene Gewohnheiten zu modifizieren und Neues auszuprobieren, können Sie jedoch der Mañana-Falle entrinnen.
Lust
Ihre Unzufriedenheit verstellt Ihnen eventuell den Blick auf die Befriedigungen, die das Aufschieben Ihnen vermittelt, und
die Sie sich vielleicht noch nicht so bewusst gemacht haben. »Welche Befriedigungen?«, wundern Sie sich vielleicht. Ihnen
geht es doch schlecht und es kommt überhaupt nichts raus beim Aufschieben. Wenn das nur so wäre, würden Sie es dann nicht
vielleicht doch schon aufgegeben haben? Aber Aufschieben kann ein Symptom sein, und in einem Symptom verbindet sich immer
beides, die verbotene Lust und die offene Last.
In den vielen Workshops und Seminaren, die ich mit Aufschiebern durchgeführt habe, klagen sich die meisten Teilnehmer zunächst
an: Wie langsam sie
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