Schluss mit dem ewigen Aufschieben
aufgewachsen, dass ihr außerordentliche Beachtung zustünde. Als
Kind bekam sie diese wegen ihrer viel versprechenden Talente auch. Jetzt aber müsste sie sich eine Position, die ihr nicht
einfach in den Schoß fällt, erarbeiten – aber sie hat nie gelernt, das zu tun. Sie weiß einfach nicht, wie sie es machen soll.
Ihre schlechte Laune, die sie als perfekte Ehefrau ihrer Meinung nach natürlich auch nicht haben dürfte, kann sie in Szenen
und Zusammenbrüchen ausleben, ebenso ihren Ärger auf ihren Mann. Wenn sie dann – wie bei der wichtigen Party für die Geschäftsfreunde
neulich – etwas »vergisst« (nämlich die Getränke zu besorgen), hat sie eine Möglichkeit gefunden, ungestraft aus der Rolle
zu fallen. Denn wer kann von einer so kreativen und durch die Kinder strapazierten Frau verlangen, solchen »Kleinigkeiten«
Wichtigkeit beizumessen?
Alle Gewohnheiten geben Sicherheit. Auch die Gewohnheit des Aufschiebens erzeugt Gefühle, die Ihnen eventuell zutiefst vertraut
sind: Von Chaos umgeben zu sein, in Hektik zu leben, unter einer Bedrohung zu stehen,
high pressure living.
Unter Hochdruck in letzter Minute eine wichtige Arbeit zu erledigen und dabei eine bestimmte Portion Angst zu erleben, gibt
Ihnen einen Kick, den ersehnten Adrenalinstoß des Abenteuers. Das Aufschieben bringt Aufregung in Ihr Leben, die Sie sonst
eventuell vermissen. Es geht Ihnen wie einem Spieler im Kasino, und es steht ja tatsächlich oft viel auf dem Spiel. Ihr Einsatz
ist Alles oder Nichts, Gewinn oder Versagen. Ihr Erfolg verschafft Ihnen Bewunderung bei denjenigen, die miterlebt haben,
wie Sie im allerletzten Moment doch noch die Kurve gekriegt haben. Ihr Scheitern verschafft Ihnen einen Opferbonus, denn mit
Ihrem Gasgeben in letzter Minute sind Sie jedenfalls spektakulär aus der Kurve getragen und nicht einfach nur in einem ganz
normalen Rennen abgehängt worden. Ihre wirklichen Gefühle bleiben dabei maskiert und mögliche Lösungen verborgen.
|57| Zusammenfassung
Sicherlich sind Ihnen die Nachteile des Aufschiebens wohlbekannt: Immer wieder konkreter Frust und die Selbstachtung im Sinkflug!
Dennoch haben Sie bislang weiter die Dinge vor sich her geschoben, von denen Sie behaupten, dass Sie sie erledigen müssen.
Durch Ihr Aufschieben beweisen Sie jedoch, dass Sie einen Handlungsspielraum haben und dem Befehl in Ihrem Kopf nicht gehorchen
müssen.
Entscheidend ist, dass Sie sich erst einmal zum Anfangen entscheiden, was bereits eine Quelle von Problemen sein kann. Pessimistische
Erwartungen machen Ihnen den Beginn schwer, Impulsivität und Unachtsamkeit stören Sie bei der Erledigung Ihrer Vorhaben. Wenn
es nicht auf Anhieb klappt, können Sie sich ungeduldig einengen auf die negativen Seiten der Arbeit und sich schließlich durch
kopflose Handlungen von Spannungen erleichtern. Wenn Sie das Aufschieben anschließend durch Bildung guter Vorsätze verdrängen,
statt eine Fehleranalyse zu machen, zeigt sich erneut, dass Ihre Einstellungen zur Durchführung von Entscheidungen und Vorhaben
verbesserungsbedürftig sind. Wenn Sie das erkannt haben, können Sie Ihr Aufschiebeproblem anpacken!
|58| 4.
Null Bock – Motivationslöcher und Frustrationserfahrungen
»Ich bin einfach nicht motiviert«, das ist häufig die erste Erklärung, die Aufschiebern zu ihrem Verhalten einfällt. Was unterscheidet
motiviertes Handeln vom Zaudern, Zögern und Zweifeln des Aufschiebens? Was hat es damit auf sich, wenn Aufgaben als zu langweilig
oder zu anspruchsvoll empfunden werden? Oder wenn »es nicht klappt«, wenn Beate, Helmut oder Anja das Gefühl haben, als seien
nicht sie, sondern anonyme Kräfte, über die sie ohnehin keine Kontrolle haben, verantwortlich für ihr Verhalten. Wie viele
Aufschieber haben auch sie zudem Probleme damit, schnell entmutigt zu sein beziehungsweise Durststrecken mit unangenehmen
Gefühlen schlecht ertragen zu können. Sie leiden unter einer geringen Frustrationstoleranz.
Die eingehende Post zu sortieren und sie der Größe nach aufzustapeln, bereitet Helmut eine kleine Freude. Er schaut sich gerne
die Briefmarken an und macht sich über die Handschriften auf den Umschlägen seine Gedanken. Graphologie hat ihn schon immer
interessiert. Hingegen hat Helmut festgestellt, dass er alles, was mit Versicherungspolicen, Schadensregulierungen und Tarifanpassungen
zusammenhängt, zunehmend hasst. Die verschiedenen Anliegen der Versicherungskunden
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