Schluss mit dem ewigen Aufschieben
schließlich auf dem
Laufenden halten!«) oder er greift – unter dem Druck von Ängsten, vom Chef gerüffelt zu werden – zu dem Brief, der ganz oben
auf dem linken Stapel liegt. Das ist der zuletzt angekommene und Helmut denkt gar nicht daran, dass er das Risiko, mit dem
Vorgesetzten Ärger zu bekommen, dadurch mindern könnte, indem er einen der schon länger daliegenden Briefe beantwortet, bei
denen eher zu erwarten ist, dass Kunden sich nach langer Wartezeit beschweren.
Anja träumt und sieht sich auf dem Catwalk. Oder in ihrer eigenen Boutique. Dann fällt ihr ein, dass ihr Mann heute Abend
noch in eine andere Stadt verreisen muss, zu einer mehrtägigen Gerichtsverhandlung. Sie packt stets seinen Koffer. Wenn es
gut zwischen ihnen steht, so wie heute, dann legt sie ihm gerne eine kleine Aufmerksamkeit dazu: Ein Büchlein als entspannende
Lektüre abends
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im Hotelbett, oder seinen silbernen Flachmann, den sie ihm zur Kanzleieröffnung geschenkt hat, gefüllt mit gutem Scotch. Sie
stellt sich vor, wie er morgen Abend – erfreut und überrascht – seinen Koffer öffnen und liebe Gedanken an sie haben wird.
Auch ihr wird ganz warm uns Herz. Allerdings muss sie jetzt gleich los, einkaufen, denn es gibt keine Milch mehr im Haus.
Auf dem Rückweg kann sie Horsts Anzug aus der Reinigung holen. Leider steht sie dann im Stau, der heute besonders ekelhaft
ist. Als sie später den Koffer vor sich sieht, denkt sie noch einmal an das Buch, hat aber keine Lust, gleich wieder loszufahren.
Das wird sie später erledigen. Anja macht sich auf die Suche nach dem Flachmann. Dabei fällt ihr auf, dass kein Scotch mehr
da ist. Den muss sie nachher also auch noch mitbringen. Aber dann badet sie erst einmal die Kinder und spielt danach mit ihnen,
telefoniert mit ihrer Mutter und Freundinnen. Als ihr das Buch wieder einfällt, haben die Geschäfte geschlossen. Den Flachmann,
auf dessen Suche sie sich jetzt wieder begibt, findet sie auch nicht, dafür gibt es Streit mit Horst, der wie üblich auf den
letzten Drücker kommt und verärgert darüber ist, dass sie den Koffer noch nicht gepackt hat. Sie wiederum ist enttäuscht,
dass er ihr nicht um den Hals fällt, als sie ihm von ihrer geplanten Überraschung berichtet, sondern nur knurrt, er hätte
lieber seine Sachen fertig vorbereitet vorgefunden. Ein Wort gibt das andere, schließlich rast er mit dem Taxi zum Bahnhof
davon und lässt sie weinend zurück.
Anja konzentriert sich in ihren Gedanken viel zu sehr auf die Endergebnisse und vernachlässigt den Prozess, der zu ihnen führt.
Bei ihrem liebevollen Einfall, ihren Mann zu überraschen, denkt sie nicht an den vor ihr liegenden Nachmittag mit seinen Besorgungen
und überprüft nicht rechtzeitig, ob Scotch vorhanden und wo der Flachmann ist. Stattdessen begnügt sie sich mit dem guten
Gefühl bei der Vorstellung, wie ihr Mann den Koffer auspacken wird. Dass sie ihn vorher packen müsste und wann sie das tun
könnte, verliert sie ebenso aus dem Blick, wie Buch und Schnaps rechtzeitig zu besorgen.
Bei genauerer Betrachtung hätte Anja gemerkt, dass ihr liebevoller Einfall an diesem vollen Nachmittag für zusätzlichen Stress
sorgt. Der Streit mit ihrem Mann, an den sie später nicht denken kann, ohne sich tief verletzt zu fühlen, macht eine Auseinandersetzung
mit ihrem eigenen unorganisierten Verhalten vollends unmöglich. So |94| hofft Anja halt nur, dass es in Zukunft mit ihren Überraschungen besser klappen wird.
Oft liegt es an der Ergebnisorientierung, dass Sie die einzelnen Schritte bis hin zur Schlusssituation nicht mit Sorgfalt
und Genauigkeit durchgehen. Wenn Sie an das Endergebnis denken, fühlen Sie sich gut. Sich gut zu fühlen oder aber wenigstens
etwas besser, ist ein wesentliches Ziel des Aufschiebens. Die Erledigung der Aufgaben steht dann zurück. Mithilfe einer Ergebnisorientierung
können Sie sich möglicherweise zu einem Start motivieren. Zum Durchhalten brauchen Sie jedoch den klaren Blick auf die erforderlichen
Handlungsschritte und Arbeitsabläufe. Im Extremfall können Sie sich mit der Ausrichtung am Endzustand eine Art Wunscherfüllung
durch Vorstellungskraft gönnen. Manche Menschen träumen davon, kein Aufschieber mehr zu sein und sehen sich in Gedanken zukünftig
überall pünktlich sein. Diese schöne Idee mag Ihnen helfen, den Motor zu Ihrer Veränderung anzuwerfen, aber um ans Ziel zu
kommen, brauchen Sie viel
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