Schluss mit dem ewigen Aufschieben
Ball, jetzt aber trotzig den inneren
und äußeren Beschämern gegenüber. Natürlich können Sie sich auch wegen Ihrer Ängste, wegen Ihres Ärgers, wegen Ihrer ohnmächtigen
Depressivität und wegen Ihres Aufschiebens schämen.
In Ihnen gibt es eine seismografische Instanz, die Ihren Umgang mit der inneren und äußeren Welt vergleicht mit einem Repertoire
an Vorstellungen darüber, wie dieser Umgang sein sollte. Aus der Bilanz dieser Vergleiche ergibt sich Ihr Selbstwertgefühl.
Wenn Sie Handlungen und Entscheidungen sowie deren erfolgreichen Ausgang mit Ihrem Selbstwertgefühl verbinden, haben Sie eine
schöne Möglichkeit geschaffen, sich gut zu fühlen – vorausgesetzt, alles klappt. Was aber, wenn etwas schief geht? Dann fällt
der Misserfolg, derselben Logik folgend, als Zeichen Ihres Unwerts auf Sie zurück. Sich unwert zu fühlen gehört zu den erniedrigendsten
Emotionen. Vieles wird aufgeschoben, weil ein ohnehin geringes Selbstwertgefühl nicht gefährdet werden soll. Manches aber
auch, um eine aufgeblähte Selbstüberschätzung nicht wie eine Seifenblase zerplatzen zu lassen.
Alle diese Stressfaktoren stehen untereinander in Beziehung. Wenn Sie perfektionistisch sind, dann haben Sie wahrscheinlich
die vollkommene Leistungserbringung auch mit Ihrem Wert verknüpft, dann werden Sie Angst erleben, Beschämung fürchten und
Gefühle von Hilflosigkeit mit Wut und Ärger beantworten. So entstehen Teufelskreise, in denen sich die Dämonen die Hände reichen
und fröhlich um das Fegefeuer herumtanzen, in dem Sie schmoren.
|99| Depressivität
Antriebslosigkeit und Mangel an Energie sind Kernmerkmale depressiver Zustände. Wer niedergedrückt ist, schiebt nicht im eigentlichen
Sinn auf, sondern fühlt sich zu kraftlos, um Vorhaben überhaupt anzupacken. Das Charakteristische des Aufschiebens, die Bildung
guter Vorsätze (»Morgen mach ich’s«), die dann nicht befolgt werden, fehlt hier. Umgekehrt gibt es deutliche statistische
Zusammenhänge zwischen dem Aufschieben und sich sekundär daraus entwickelnden depressiven Verstimmungen, die mit abgesenktem
Selbstwertgefühl, Hoffnungslosigkeit und Selbstverachtung einhergehen.
Angst
Angst kann motivieren und einen dazu veranlassen zu handeln. Angst kann aber auch zum Aufschieben führen. Wenn Sie Angst haben,
kann es sein, dass Sie wichtige Dinge aufschieben, beispielsweise um eine Gehaltserhöhung zu bitten. Sie ersparen sich damit
die Furcht vor dem Chef, der Verhandlung und Ihren Gefühlen, falls Ihr Wunsch abgelehnt werden sollte. Aber als Folge Ihres
Aufschiebens können Sie wiederum mit Angst konfrontiert sein, dann nämlich, wenn Sie wissen, dass Ihr jetziges Gehalt nicht
ausreicht, um davon die gestiegene Miete und die Raten für Ihr neues Auto zu bezahlen. Häufig erzeugt ernsthaftes Aufschieben
eine ganze Fülle von Ängsten. Sie können sich vor negativen Folgen im Privatleben ebenso fürchten wie im beruflichen Bereich.
Sie können bei Ihren Freunden anecken und bei Beförderungen übergangen werden, wenn Sie durch Ihr Trödeln unangenehm aufgefallen
sind. Sie können abgemahnt werden, wenn Sie als
latecomer
permanent zu spät zur Arbeit erscheinen. Selbst in den Mönchsklöstern des Mittelalters galt Unpünktlichkeit als negativ. Wer
zu spät zum Gebet kam, wurde mit Weinentzug bestraft. Zu spät bedeutete: wenn der erste Psalm beendet war. »Also singe man
ihn getragen« war die Devise der Mönche. Auch heute noch können Sie sich auf eine gewisse Elastizität der Verhältnisse verlassen.
Wenn Sie die Toleranzgrenzen jedoch andauernd verletzen, wird es ernst und Sie haben Grund zu Befürchtungen.
|100| Auch im privaten Leben und in der Liebe können negative Folgen drohen, beispielsweise wenn Sie laufend wichtige Angelegenheiten
verschusseln, versäumen und vertagen oder sich zu keinen Entschlüssen durchringen können. Hamlet ist zweifellos die am häufigsten
in diesem Zusammenhang beschworene Gestalt, deren Untätigkeit, »angekränkelt von des Gedankens Blässe«, ihn in die Falle des
Königs Claudius gehen lässt.
Die wichtigsten Ängste, die Sie zum Aufschieben bewegen können, stelle ich Ihnen im Folgenden vor. Angst motiviert zu Flucht
oder Vermeidung. Vor wichtigen Vorhaben oder Aktivitäten zu fliehen, bedeutet aufzuschieben.
Angst vor Versagen
Über Pleiten, Pech und Pannen kann man zumeist nur lachen, wenn es nicht die eigenen sind. Wer in Gefahr ist, aus einem Misserfolg
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