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Schluss mit dem ewigen Aufschieben

Schluss mit dem ewigen Aufschieben

Titel: Schluss mit dem ewigen Aufschieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Werner Rückert
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was, heißt es dann. Kannste was nicht, biste nix,
     ist der verhängnisvolle Umkehrschluss. Auch Beate hat das Beurteilungssystem der anderen verinnerlicht:
     
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Beate hat die Fantasie, sich mit Ketten an ihren Schreibtischstuhl fesseln zu wollen. Jemand mit einer Peitsche müsste hinter
     ihr stehen und ihr jedes Mal, wenn sie trödelt, einen Schlag verpassen. Sie stellt sich immer wieder vor, wie sie nach Abgabe
     ihres Konzepts zu ihrem Chef gerufen wird. Der Vorgesetzte schaut sie streng an, schüttelt den Kopf und fragt, was sie sich
     denn eigentlich dabei gedacht hätte. Ihr Strategiepapier sei ja wohl nichts! Beate fühlt sich wie vernichtet. Soll sie ein
     so gefährliches Vorhaben wirklich weiter verfolgen?
     
    Die Verinnerlichung eines ungeeigneten Beurteilungssystems hat zur Folge, dass Sie sich global statt spezifisch bewerten.
     Sie vergleichen sich mit anderen, denen Sie mehr Fähigkeiten zuschreiben, statt Ihre Vorgehensweisen zu verbessern. Sie glauben,
     dass Sie sich mit dieser Art der Selbstbeurteilung zu positiven Veränderungen motivieren können. Bedauerlicherweise klappt
     das nicht, weil Sie aus Ihren Fehlern nicht lernen, sondern nur unter ihnen leiden.
    Ihr Idealbild und Ihre Wirklichkeit
    Schon bevor Sie zum Schulkind wurden, steckte in Ihnen ein Idealbild, wie Sie sein sollten. Ihr inneres Vorbild stammt einerseits
     aus der Identifizierung mit Ihren Eltern und älteren Geschwistern, die Sie liebten und bewunderten. So wie die wollten Sie
     auch sein. Zum anderen haben Sie sich deren subtilen und oft völlig unbewussten Hinweisen angepasst, welche Art Kind sie lieben
     könnten. Wenn Sie sich so verhielten, wie Ihr Umfeld es wollte, bekamen Sie ein Plus an Zuwendung. Sie waren offenbar liebenswert.
     Dementsprechend umfasst Ihr Ideal Ihre Lieblingsvorstellungen darüber, wie Sie sein möchten, um sich mögen zu können. Ihrem
     Ich-Ideal möchten Sie gleichen, um Ihre Selbstliebe nicht zu verlieren. Geboten und Verboten, später verinnerlicht als Über-Ich,
     müssen Sie sich hingegen fügen, um Gewissensbisse zu vermeiden. Wenn Sie gegen eine Norm, die Sie für richtig halten, verstoßen,
     dann empfinden Sie Schuld und Reue. Weichen Sie hingegen von Ihrem Ich-Ideal erheblich ab, dann droht Ihnen der Entzug Ihrer
     Selbstachtung, was wesentlich dramatischer ist. Wenn Sie ein Aufschiebeproblem haben, dann enthält Ihr Ich-Ideal präzise und
     dogmatische Vorstellungen darüber, wie Sie sein müssten: Stets kompetent, möglichst perfekt, immer beherrscht, gut gelaunt,
     souverän. |90| Oder die Idee, dass Sie Ihrer Fähigkeiten wegen unbedingt von allen Menschen respektiert und geachtet werden müssen. Je starrer
     diese Forderungen an sich selbst sind, desto unbeweglicher werden Sie, sobald Sie fürchten müssen, Ihren idealisierten Maßstäben
     nicht zu genügen. Das Aufschieben entschärft den Vergleich zwischen Ich-Ideal und Realität. Schaffen Sie etwas wegen des Aufschiebens
     nicht, dann ist das letzte Wort über Ihre wirkliche Leistungsfähigkeit unter optimalen Umständen noch nicht gesprochen. Die
     ersehnte Verschmelzung mit Ihrem Ideal (»Ich bin genauso toll, also liebenswert, wie ich es mir vorgestellt habe«) kommt zwar
     aktuell nicht zustande, erscheint aber weiterhin prinzipiell möglich und wird auf später vertagt. Verschoben wird aber auch
     die Gefahr eines wirklichen Flops, nämlich dem, hart und an den Deadlines orientiert gearbeitet und es schließlich doch nicht
     geschafft zu haben.
    Wenn Sie unrealistisch überhöhte Maßstäbe an sich selbst anlegen, werden Sie dazu neigen, diese Maßstäbe zu projizieren, das
     heißt sie anderen Menschen zu unterstellen. Wenn andere Menschen Sie beurteilen sollen, nehmen Sie an, dass deren Bewertung
     ebenso gnadenlos ausfallen wird wie Ihre eigene. Das ist ein weiterer Grund, öffentliche Einschätzung durch andere zu fürchten
     und Projekte, die dieses Risiko in sich tragen, aufzuschieben.
    Manche Menschen erleben die Diskrepanz zwischen ihrem überhöhten Selbstbild und der Wirklichkeit gar nicht, weil sie nahezu
     alle Situationen vermeiden, in denen sie sich zeigen könnte. Sie leben dann gewissermaßen in einer narzisstischen Traumwelt,
     in der die Handlungen des Alltags kaum eine Rolle spielen.
     
    Anja schützt sich wirkungsvoll vor Zweifeln an ihrer Großartigkeit. Ihr Mann hat sie ja auch gerade wegen ihrer selbstsicheren
     Ausstrahlung geheiratet. Die Bewährung an der Realität verlangt er ihr ebenso

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