Schluss mit dem ewigen Aufschieben
Lass es lieber bleiben, hau lieber ab! Wenn Sie, wie Helmut, im
Konflikt sind zwischen der Notwendigkeit, Ihre Pflichten zu erledigen, und Ihrem Trotz, dann bekommen Sie zwangsläufig Angst
davor, Ihren Job zu verlieren. Sie können sich bemühen, diese Angst zu verdrängen, aber dadurch machen Sie die Arbeit noch
lange nicht schneller und bereitwilliger, die Stapel wachsen, Ihr Chef wird noch ärgerlicher. Diesmal belässt er es nicht
bei einem einfachen Rüffel, sondern er setzt Ihnen eine Frist und droht mit einer Abmahnung. Die Angst, die Sie loswerden
wollten, hält Sie jetzt erst recht im Würgegriff.
Außer der generellen Angst vor negativen Folgen (»Was wird passieren, wenn ich nie fertig werde?«) spielen bestimmte Ängste
beim Aufschieben eine besondere Rolle. Vielleicht haben Sie Angst vor dem Alleinsein? Dann schieben Sie möglicherweise Vorhaben
auf, die Sie nur in relativer Einsamkeit erledigen können. Dahinter steht Ihre Angst, gerade in der Situation des Alleinseins
von unerwünschten Gefühlen überfallen zu werden. Sie schieben Dinge auf, bei denen Sie scheitern können, aus Angst vor dem
Versagen. Sie vertagen Projekte, |97| bei denen Sie Erfolg haben werden, weil Erfolg für Sie mit negativen Folgen verbunden ist. Sie können Angst vor mehr Nähe
und Intimität haben, und aus der Furcht vor Zurückweisung oder Überforderung eine Vertiefung Ihrer Beziehung zu anderen Menschen
auf den Sankt-Nimmerleins-Tag legen.
Bei den Ärger- und Wutproblemen macht Ihnen eine irrationale Erwartung das Leben schwer: »Andere Menschen müssen mich so behandeln,
wie ich es will, die Welt sollte so sein, wie ich es verlange – und wenn nicht, dann werde ich es allen zeigen!« Mit dieser
inneren Forderung erzeugen Sie zunehmende Feindseligkeit. Denn bis auf glückliche Ausnahmefälle richtet sich die Welt wahrscheinlich
nicht unbedingt nach Ihnen. Wenn Sie das bemerken, können Sie ihr richtig böse sein und sie durch Aufschieben bestrafen. Falls
Sie diesen Dreh gut beherrschen, gelingt es Ihnen irgendwann sogar, nahezu ausschließlich Wut und kaum noch Angst zu empfinden.
Viele Menschen haben jedoch erst Wut und dann Angst, so wie Helmut, fallen von einem Gefühl in das andere und kommen nicht
weiter.
Wenn Sie mit unheilbaren perfektionistischen Haltungen ausgestattet wären, hätten Sie nie bis hierher weitergelesen. Noch
ist also Hoffnung. Aber Sie werden jene Forderungen, die Sie an sich richten, überprüfen müssen: Müssen Sie wirklich vollkommen
sein? Und warum? Wenn Sie von sich 100-prozentige Resultate verlangen, dann können Sie nur Sachen machen, die Sie bereits
perfekt beherrschen. Das heißt, Sie können sich nicht weiterentwickeln, denn dazu brauchen Sie neue Herausforderungen. Wird
Ihnen aber im alten Trott langweilig, dann können Sie das gewohnte Leistungsniveau durch Unterforderung nicht mehr halten,
werden also unvollkommen – und schon schlägt die Falle zu.
Ohnmachts- und Hilflosigkeitsgefühle angesichts von Aufgaben und Entscheidungen verlangen anscheinend geradezu nach dem Aufschieben,
damit sie abklingen. Mehr Kompetenz und Selbstvertrauen gewinnen Sie dadurch allerdings nicht. Sie üben sich stattdessen in
der Gewohnheit, pessimistisch zu sein und Handlungen zu vermeiden. Wenn Sie es gelernt haben, mit Hilflosigkeit und einem
überwältigenden Gefühl von Ohnmacht auf bestimmte Herausforderungen zu reagieren, dann sagen Sie sich, dass Sie bestimmte
Dinge nicht können, was möglicherweise korrekt ist. Sie sagen aber auch, dass Sie sie nicht lernen können, weil Sie sich so
hilflos fühlen, was nicht stimmt, denn im richtigen Tempo und mit den richtigen Schritten |98| können Sie lernen, Ihre Hilflosigkeit zu überwinden. Oft ist Ohnmacht auch ein Fluchtversuch, um in einer Zwangslage keine
Verantwortung übernehmen zu müssen.
Scham liegt am Ursprung vieler Aufschiebeprobleme. Wenn Sie es nicht bringen, dann werden Sie sich eventuell vor allen real
vorhandenen Zeugen Ihres Scheiterns schämen. Sie können dieses Gefühl aber auch vor den verinnerlichten Eltern und Ihrem Ich-Ideal
haben. Im Aufschieben von Vorhaben, die mit Beschämung enden könnten, verbindet sich eine in Gedanken vorweggenommene Demütigung
mit Trotz. Sie erinnern sich an ähnlich peinliche Reinfälle, erwarten auch jetzt nichts anderes und schieben auf. Sie lassen
die Sache nicht einfach fallen, was eine andere Möglichkeit wäre, sondern bleiben am
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