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Schluss mit dem ewigen Aufschieben

Schluss mit dem ewigen Aufschieben

Titel: Schluss mit dem ewigen Aufschieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Werner Rückert
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verlieren, haben Sie bereits im vorigen Kapitel kennen gelernt, als negativen
     Pol des Machtmotivs. Ihre innerliche Einstellung verlangt von Ihnen, in allen Situationen gefasst und beherrscht zu sein.
     Wenn Sie dafür nicht die Hand ins Feuer legen können, schieben Sie auf.
    Bewertung durch andere
    Viele von uns haben Situationen öffentlicher Bewertung negativ kennen gelernt. Die Schulzeit ist hier von besonderer Bedeutung.
     In ihrem Verlauf haben wir die nachhaltigsten und oftmals auch die unangenehmsten Erfahrungen mit Kritik gemacht. Nur wenige
     haben das Glück gehabt, mit überwiegend konstruktiven kritischen Hinweisen unterrichtet und erzogen worden zu sein. Für viele
     ist die Schulzeit geprägt durch kränkende Herabsetzungen, demütigende Bloßstellungen und öffentliche Beschämungen. Theoretisch
     ist dabei gerade auch Lehrern klar: kritikwürdiges Verhalten sollte benannt und beschrieben werden. Vor allem aber sollte
     verdeutlicht werden, unter welchen Aspekten dieses Verhalten als unbefriedigend angesehen wird und mit welcher Art des Vorgehens
     in Zukunft bessere Ergebnisse erreicht werden können. Dennoch haben wir alle Bemerkungen gehört, die nicht unser Verhalten,
     sondern unsere Person bewerteten. »Das hätte ich von dir nicht erwartet«, »du hast es gerade nötig«, »bei dir reicht es wohl
     nicht zu mehr«, solche Äußerungen klingen leider vielen Menschen noch immer wohlvertraut in den Ohren.
    Die Beurteilung der konkret erbrachten Leistung in einem bestimmten Schulfach wird häufig generalisiert zu einer ungerechtfertigten
     Bewertung der Leistungsfähigkeit insgesamt – wenn nicht gleich der ganzen Person. Wechselwirkungen zwischen Schüler, Lehrer
     und dem Unterrichtsstoff in ihren Effekten für die erbrachte Leistung werden oft gar nicht wahrgenommen. Stattdessen werden
     die Ursachen für gute, aber auch für schlechte Leistungen stabil-intern den Schülern als Fähigkeiten beziehungsweise Unfähigkeiten
     zugeschrieben. Unvorteilhafte Vergleiche mit anderen, die als leistungsfähiger |88| beurteilt werden, sollen einen Ansporn darstellen. Durch sie wird aber lediglich eine Orientierung an äußerlichen Maßstäben
     und der neidvolle Vergleich mit anderen gefördert, nicht die notwendige individuelle Fehleranalyse. Das Element der Beschämung
     wird dabei gerne übersehen. Zwar ist vergleichende Werbung in unserem Staat verboten und es wird Ihnen als Unbescheidenheit
     ausgelegt, wenn Sie öffentlich erklären, Sie seien besser und klüger als Ihr Kollege X. In der Kindererziehung sind diese
     Methoden leider nicht verpönt. »Warum kannst du dich nicht so konzentrieren wie Y?« und: »Nimm dir ein Beispiel an Z!« haben
     dort noch immer ihren Platz. Die Verabsolutierung schulischer Leistung setzt sich in den Familien fort, wenn Kinder mit Lern-
     und Leistungsproblemen unter Druck gesetzt werden und sich selbst als defizitär erleben, statt bestimmte Aspekte ihres Verhaltens.
    Der letzte Schritt wird dann gemacht, wenn die globale Beurteilung der Person gleichgesetzt wird mit der Beurteilung des Wertes
     der Person. Sie kennen diesen Schritt, der zum Beispiel in Arbeitszeugnissen formelhaft vorkommt: Erst wird beschrieben, welche
     konkreten Tätigkeiten und Funktionen Sie ausgeübt haben, dann werden Aspekte Ihrer Person beurteilt – und schließlich heißt
     es, das alles habe Sie zu einem wertvollen Mitarbeiter gemacht. Beachten Sie das Wort Mitarbeiter! Denn das waren Sie für
     den Arbeitgeber, und er legt die Logik seiner Bewertung Ihrer Person offen. Nun, in Ihrer Selbstbeurteilung müssen Sie ja
     nicht die Maßstäbe Ihres Vorgesetzten anwenden, denn Sie sind nicht der Mitarbeiter Ihres Lebens, sondern Ihr eigener Chef.
     Wenn Sie von der Fremdbestimmung und der Fremdbeurteilung zur eigenen Meinung über sich wechseln, haben Sie die Chance, neue
     und angemessenere Kriterien zu finden.
    Später können traumatische negative Erfahrungen mit öffentlicher Bewertung Sie dazu bringen, Projekte, die das Risiko einer
     erneuten Demütigung in sich bergen, aufzuschieben. Noch schädlicher aber sind die dauerhaften Auswirkungen dieser Art von
     Beurteilung: Sie haben ein unzulängliches Beurteilungssystem verinnerlicht, das sich bis zur Definition Ihres Selbstwerts
     erstreckt. Was früher Eltern oder Lehrer als äußere Instanzen vertraten, wenden Sie nun auf sich selbst an, wobei Sie den
     damals äußeren Terror jetzt in eigener Regie fortsetzen. Kannste was, biste

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