Schluss mit dem ewigen Aufschieben
zu schließen, ein Versager zu sein, reduziert einen komplexen Ursachenprozess auf eines: auf sich. Eine solche Vorstellung
zeugt von Grandiosität. Sie tun so, als müsse sich die Welt, Sie eingeschlossen, nach Ihren Vorstellungen fügen und formen
lassen. Sie wehren sich damit gegen die Erkenntnis, nur ein kleines (wenngleich manchmal entscheidendes) Rädchen im Getriebe
der Welt zu sein. Ein Flop stellt für Sie nicht nur eine peinliche Überraschung dar, sondern eine extrem bestürzende Konfrontation
mit Ihrer (relativen) Nichtigkeit, gegen die Sie sich so sehr wehren. Der deprimierende Gedanke, dass Sie ein Versager seien,
enthüllt noch Ihre Größenidee. Sie grenzen sich damit von der Auffassung ab, dass Sie manchmal Glück hatten, die richtigen
Einfälle, Förderung und Unterstützung, und dass die Welt in der Stimmung war, Sie gewinnen zu lassen. Stattdessen implizieren
Sie bei einem Erfolg: Das waren Sie, Sie ganz allein. Umgekehrt schreiben Sie eine Pleite in einer Art negativem Größenwahn
ausschließlich Ihrer Unfähigkeit zu.
Versagensängste treten auch auf, wenn Sie dazu neigen, Ihren Wert als Person mit Erfolg gleichzusetzen, sei es im privaten,
sei es im geschäftlichen Bereich. Unvermeidliche Enttäuschungen und Konjunkturschwankungen werden dadurch zu einer persönlichen
Katastrophendrohung. Ihre innere schnelle Eingreiftruppe weiß darauf nur eine Antwort: aufschieben.
|101| Ihre Ängste beziehen sich natürlich auch darauf, dass andere Menschen Ihr Misslingen miterleben und Sie dann als Versager
beurteilen. Dahinter steckt Ihre Überzeugung, dass andere Menschen mit Ihnen ebenso hart ins Gericht gehen werden, wie Sie
selbst es tun. Die psychologische Forschung zeigt, dass es üblicherweise jedoch nicht so ist. Die anderen, die Sie beobachten,
führen Erfolg oder Misserfolg viel eher auf äußere Umstände zurück, Sie als Handelnder hingegen bevorzugt auf Ihre Eigenschaften.
Angst vor Erfolg
Erfolg ist eine zweischneidige Sache. Sie waren gut in der Schule und konnten dadurch Probleme bekommen. Sie wurden neben
den schwächsten Schüler der Klasse platziert und als dessen Nachhilfelehrer eingesetzt. Mag sein, dass Ihnen das schmeichelte,
aber Ihr eigener Lerneifer bekam dadurch keine neue Nahrung. Ihre Mitschüler hielten Sie für einen Streber und behandelten
Sie entsprechend. Sie wussten: Noch eine Eins bricht Ihnen das Genick. Kreativ, wie Sie waren, schoben Sie das nächste Mal
Ihre Vorbereitung auf eine Klassenarbeit auf, schrieben eine Drei und begannen damit, das Bild, das die anderen von Ihnen
hatten, zu verändern. So wurden Sie aus Angst vor dem Erfolg zum »Underachiever«.
Wenn Sie im Erwachsenenalter erfolgreich sind, können Ihnen unter anderem die folgenden Konsequenzen drohen:
Sie werden vor neue, gesteigerte Anforderungen gestellt und das Risiko, zu scheitern oder an Ihre Grenzen zu geraten, vergrößert
sich. Bei Tennisspielern beispielsweise wächst mit der Zahl der gewonnenen Grand Slam-Turniere der Druck exponentiell an,
auch das nächste Mal Erfolg zu haben. Hier ist die Angst vor Erfolg eine vorverlegte Angst vor zukünftigem Versagen.
Ihr Erfolg kann konkrete Nachteile haben: Sie machen Karriere und müssen in eine andere Stadt umziehen oder gar in ein anderes
Land. Sind Sie weiterhin erfolgreich, müssen Sie im Interesse Ihres Marktwertes die Firma wechseln. Und jedesmal stehen Sie
wieder als Anfänger da, mit allen Unsicherheiten, Unkenntnissen und Rollenproblemen.
Sie müssen sich mehr anstrengen als vorher, haben weniger Zeit |102| für sich und Ihre Freunde oder Ihre Familie und bekommen deswegen Ärger, den Sie bei weniger Erfolg nicht hatten.
Sie müssen sich zwischen Erfolg und Freundschaft entscheiden, weil manche Ihrer alten Freunde Sie nicht mehr schätzen und
Ihnen auch fremd werden. Ihre alten Beziehungen gehen auseinander.
Außerdem kann Ihr Erfolg Sie mit Gefühlen in Kontakt bringen, die Sie nicht mögen: mit Ihrem Ehrgeiz und Ihren geschäftlichen
Killerinstinkten, mit Gier und Geiz. Sie haben es sich gerade schön eingerichtet, Ihre Freundin erwartet ein Baby, Sie wollen
ein »Neuer Vater« werden, da kommt
das
Angebot Ihrer Firma: Sie können die gerade eröffnete Filiale leiten. Natürlich nicht auf halber Stelle und nicht mit der Perspektive,
demnächst in den Erziehungsurlaub zu gehen. Und schon hat Ihr Erfolg Ihnen einen Konflikt beschert, um den Sie niemand beneidet.
Angst vor
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