Schluss mit dem ewigen Aufschieben
beschäftigt. Im Alltag konnten
Sie diese durch Aktivität aus Ihrer Wahrnehmung fernhalten. Nun drängen sich die aufgeschobenen Themen und die zu ihnen gehörenden
Gefühle und Gedanken förmlich auf. Jetzt aber, ohne äußere Ablenkungen, müssen Sie sie mit innerem Kraftaufwand verdrängen.
Um sie unbewusst zu halten, brauchen Sie genau die Energie, die sonst Ihre Aufmerksamkeit gespeist hätte. Das Ergebnis ist,
dass Sie Konzentrationsstörungen bekommen.
Angst vor Nähe
Aufschieben kann ganz allgemein vor tieferen Beziehungen schützen, die das Risiko der Zurückweisung in sich tragen. Sie können
mit Ihrem Aufschieben andere Leute ärgerlich machen, sodass die nichts von Ihnen wissen wollen und sich keine engere Beziehung
entwickelt. Besonders dann, wenn es um das Aufschieben in Liebesdingen geht, spielt die Angst vor Nähe eine bedeutsame Rolle.
Nähe ist für Sie möglicherweise gleichbedeutend mit unangenehmen Vorstellungen davon, verpflichtet und versklavt zu werden,
Ihre Eigenständigkeit zu verlieren und in unüberschaubare emotionale Komplikationen verwickelt zu werden. So haben Sie es
vielleicht als Jugendlicher einige Zeit aufgeschoben, der Einladung Ihrer Freundin zum ersten Treffen mit deren Eltern Folge
zu leisten. »Gehe ich da nicht gleich eine viel zu große Verpflichtung ein, wird das nicht zu einengend, betrachten die mich
womöglich schon als Schwiegersohn?«, haben Sie sich gefragt.
Auch in einer Partnerschaft, in der sich nach einiger Zeit ein bestimmtes Niveau an Nähe entwickelt hat, können Sie vor mehr
Nähe |105| zurückschrecken. Denken Sie an typische Konflikte im sexuellen Bereich. Sie möchten Ihr Liebesleben erweitern und ein paar
neue Dinge ausprobieren. Wenn Sie Ihrer Partnerin davon erzählen, kann die entstehende Intimität Sie beängstigen, weil Sie
mehr von sich gezeigt haben als vorher, also verletzlicher sind. Geht Ihre Partnerin nicht auf Ihre Fantasien ein, können
Sie sich abgelehnt fühlen, geht sie aber darauf ein, können Sie Angst bekommen vor mehr Erregung, als Sie bisher gewohnt waren
und vor noch mehr Nähe.
Offenheit in anderen Aspekten einer Partnerschaft kann ebenfalls Angst einflößen.
Horst, Anjas Mann, ist nicht auf den Kopf gefallen. Er hat sich selbst schon häufiger gesagt, dass Anja zu wenig ihr eigenes
Leben führt. Aber er hat Angst, mit ihr darüber zu sprechen. Dann könnte ihr wildes Treiben vor der Ehe wieder Thema werden,
wovon Horst nichts hören will. Er selbst ist sehr streng erzogen worden und war in sexuellen Dingen eher zurückhaltend, während
Anja die Liebe in vollen Zügen genossen hat. Horst ahnt, dass er heimlich neidisch ist, aber es macht ihn auch eifersüchtig,
sich die Reihe ihrer früheren Freunde vorzustellen. Und ängstlich: Kann er mit denen überhaupt mithalten? Er gibt sich manchmal
betont machomäßig und schroff, weil er denkt, so bei Anja mehr Eindruck zu machen als ihre Softie-Freunde von damals: als
der knallharte ausgebuffte Anwalt.
Angst vor Ablehnung
Wenn Sie befürchten müssen, für Ihre Lebensführung nicht nur negativ beurteilt, sondern sogar abgelehnt und möglicherweise
ausgestoßen zu werden, dann haben Sie ein starkes Motiv Dinge aufzuschieben, die mit diesem Risiko verknüpft sind. Sie können
sich beispielsweise in der Zwangslage wiederfinden, dass Ihr Studium Sie in die Gesellschaftsschichten bringen wird, die Ihre
Herkunftsfamilie ablehnt. Nehmen wir an, Sie kommen aus einer Familie mit Arbeiterbewusstsein und einer stolzen sozialistischen
Vergangenheit. Zu deren Missvergnügen studieren Sie Betriebswirtschaftslehre. Nach dem Diplom möchten Sie ein Unternehmen
gründen. Spätestens dann wird Ihre Familie Verrat wittern. Sie kennen deren Rigorismus und fürchten, verstoßen zu werden.
In dieser Verlegenheit können Sie mit |106| einem Aufschub Ihres Studienabschlusses oder Ihrer Unternehmensgründung die Angst vor Ablehnung bannen.
Im Alltag lässt das Risiko von Zurückweisung es Sie vor sich herschieben, Ihren sympathischen Geldberater in Ihrer Bank einmal
zu einem Kaffee einzuladen oder die hübsche Mitfahrerin im Bus um ein Treffen zu bitten. Eine Fülle von sozialen Ängsten bringt
Menschen dazu, Aktivitäten, Unternehmungen und Geselligkeiten, nach denen sie sich sehnen, zu meiden, weil sie fürchten, auf
Ablehnung zu stoßen. Die Gefahr von Zurückweisung erscheint Ihnen besonders dann unerträglich, wenn Sie ein schlechtes
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