Schluss mit dem ewigen Aufschieben
haben, für deren Bekanntwerden Sie sich schämen.
Anja würde sich schämen, wenn sie als Model abgelehnt werden würde. Konkret schämt sie sich dafür, ein bisschen Übergewicht
zu
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haben. Weil sie nicht möchte, dass andere Frauen, mit denen sie rivalisiert, das sehen, geht sie lieber nicht ins Fitnessstudio.
Würde sie im Vergleich mit dem Aussehen anderer Frauen dort den Kürzeren ziehen, dann wäre ihre Schwäche offenbar geworden,
und sie würde sich defekt fühlen. Ihre Angst vor Scham lässt sie zu Hause bleiben.
Wenn ein Vorhaben für Sie mit Scham assoziiert ist, dann gehen bei Ihnen die Sirenen los, sobald Sie ernsthaft anfangen, sich
mit der Sache zu beschäftigen. Schamangst kann milde als Unbehagen daherkommen, aber auch als Panikattacke. Aufschieben ist
dann die sich anbietende Strategie, kompromisshaft an Ihren Zielen festzuhalten und konkret zurückzuweichen.
Das Gefühl der Beschämung selbst ist unangenehm genug, um es zu meiden.
Beate hat einige Stunden am Schreibtisch verbracht, aber die vor ihr liegenden Blätter sind unbeschrieben. Sie starrt sie
an und kann es nicht fassen. Wie stolz war sie früher, in der Schule, darauf, bei Aufsätzen immer zügig die Seiten zu füllen,
als Erste abzugeben und die besten Noten zu haben. Und jetzt das! Beate hat das Gefühl, die Kontrolle über ihre Fähigkeit,
leicht und flüssig Gedanken formulieren zu können, verloren zu haben. Ein heißes Gefühl steigt unangenehm in ihr auf, sie
weiß, dass sie jetzt errötet, sie sieht sich von außen und möchte am liebsten im Boden versinken.
Sie können sich gegen die Scham wappnen, indem Sie Haltungen einnehmen, die das scheinbare Gegenteil ausdrücken.
Helmut zieht zu Hause wieder einmal über seinen Chef her. Dieser Menschenschinder mit seiner Macherhaltung. »Mittleres Management«,
zischt Helmut seiner Frau zu. »Es müsste besser heißen: Mittelmäßiges Management oder Missmanagement. Der Kerl hat doch keine
Ahnung von Menschenführung und Mitarbeitermotivation, der führt sich doch auf wie ein kleiner Napoleon in diesen lächerlichen
Besprechungen, die er ständig inszeniert!« Und verächtlich äfft Helmut die Körperhaltung und den stahlharten Blick seines
Chefs nach.
Nichts gegen gesunde Aggressionen gegen die Alpha-Tiere in der Firma. Leider läuft Helmut nur dann zu großer Form auf, wenn
die |117| nicht in der Nähe sind. Die Bissigkeit, mit der er die Schwächen seines Vorgesetzten aufspießt, unterscheidet sich sehr von
der Zahnlosigkeit, mit der er seine eigenen Aufgaben angeht. Statt passiv die Beschämung zu erleiden, die der Chef ihm schon
mehrfach zugefügt hat, als er ihn für seine vielen Verzögerungen bei der Aufgabenerledigung rügte, dreht Helmut den Spieß
jetzt um: Nicht er ist lächerlich, wie er sich an seinen Stapeln von Kundenpost abquält, sondern sein Vorgesetzter. Nicht
ihm gebührt die innere Verachtung, sondern einer solchen Witzfigur von Manager! Mit dieser Abwehr tankt Helmut allerdings
immer mehr Feindseligkeit. Von ihr könnte er sich nur um den Preis distanzieren, das eigene Fehlverhalten einzusehen. Dann
aber würde ihn die bislang abgewehrte Scham doppelt und dreifach heimsuchen.
Man kann in den anderen bisher besprochenen Stressquellen durchaus Maskierungen von Scham erkennen. Das ewige Aufschieben
löst zwangsläufig Angst aus. Was passiert, wenn ich die Aufgabe gar nicht erledige? Was, wenn ich meine Steuererklärung nicht
abgebe? Die Antwort ängstigt: Es wird negative Folgen geben, Beschämung droht dann. Perfektionisten schämen sich, wenn sie
nichts zustande bringen können, weil es nicht gleich beim ersten Mal perfekt sein wird. Wer Angst vor Zurückweisung und Misserfolg
hat, wird beides seinen mangelnden Fähigkeiten zuschreiben und kann sich dessen schämen. Wer depressiv ist, also entschlusslos
und unproduktiv, weil die Seele entleert ist und keine erstrebenswerten Ziele und Inhalte umfasst, schiebt auf, damit just
dieser schambesetzte Sachverhalt nicht herauskommt.
Aufschieben soll gegen das Wiederauftreten traumatischer Beschämung schützen, führt jedoch häufig zur Scham zurück. Wirklich
harte Aufschieber kreisen schließlich monomanisch um sich selbst und ihr Aufschieben, egal, ob sie es von der Seite der Ausreden
her präsentieren, von der Beteuerung her, wie wichtig es eigentlich wäre, bestimmte Ziele konsequent anzusteuern, oder von
der
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