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Schluss mit dem ewigen Aufschieben

Schluss mit dem ewigen Aufschieben

Titel: Schluss mit dem ewigen Aufschieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Werner Rückert
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der Unterschied zwischen Gläubiger und Schuldner war ihr auch fremd. Das fand Horst
     hinreißend. Neuerdings aber findet er ihre Hilflosigkeit lästig, und er nimmt sie ihr auch nicht ganz ab. Beispielsweise die
     vergessenen Getränke neulich bei der wichtigen Party. Da fühlte er sich so richtig sabotiert. Als er ihr Vorwürfe machte,
     sagte sie treuherzig: »Ich wusste nicht, was noch in deinem Weinkeller ist und was nicht, da hättest du mir vorher Bescheid
     sagen müssen«.
Dein
Weinkeller! Als ginge sie das nichts an und als wolle sie wie ein Kind unverantwortlich bleiben.
     
    Das Angebot »Ich bin so klein und hilflos, du bist so groß und klug, rette und versorge mich« bildet meistens keine feste
     Basis für eine Partnerschaft. Horst fühlte sich früher zwar geschmeichelt, aber jetzt ist er genervt. Und Anja bewunderte
     ihn früher tatsächlich hemmungslos, ist nun aber eher neidisch auf seinen Erfolg. Sobald sie jedoch dieses Gespräch mit ihm
     führen müsste, verschanzt sie sich hinter der angeblich nötigen Rücksichtnahme und schiebt es auf. Dadurch, dass Anja sich
     durch die Bedürfnisse von Horst bestimmen lässt, ist sie davor geschützt, jemals für ihre eigenen eintreten zu müssen. Wie
     wir gesehen haben, sind ihre eigenen Pläne in sich konflikthaltig. Außerdem hat auch Horst ein starkes Motiv, ein intensives
     Gespräch mit Anja zu meiden, weil sonst zu viel Zündstoff auf den Tisch käme. Das Aufschieben soll die näher rückende Explosion
     vermeiden, führt sie aber mit ziemlicher Sicherheit herbei, weil beide immer unzufriedener werden. Wir haben es bei diesem
     Paar mit zwei Personen zu tun, die beide daran arbeiten, die Klärung ihrer Konflikte aufzuschieben, weil sich so Schuldgefühle
     vermeiden lassen. Schuldgefühle signalisieren, dass man jemand anderem durch unrechtes Tun geschadet hat. Abhängige Menschen
     haben gelernt, dass die Ausübung ihres freien Willens für andere eine schlimme Enttäuschung oder Belastung darstellen kann,
     haben sich wieder und wieder schuldig gefühlt, und sich den anderen angepasst, um die schwer drückenden Schuldgefühle zu vermeiden.
    |113| Wenn es Ihnen auch so geht, dann mussten Sie bisher Ihre Handlungsimpulse unterdrücken. Wenn diese Unterdrückung automatisch
     abläuft, dann haben Sie den Eindruck, innerlich leer zu sein, dann fühlen Sie sich zu nichts mehr motiviert. Ihr Eigenwille
     stellt keine Gefahr mehr dar, Sie sind völlig harmlos geworden, sind nicht mehr in der Lage, etwas zu tun, was Schuldgefühle
     hervorrufen würde. Sie sind ohne Macht, ohnmächtig. Natürlich führt das dazu, dass Sie keine Entscheidungen mehr treffen und
     keine Pläne mehr verfolgen können, dazu fehlt Ihnen der Biss. Sie haben sich die Zähne ziehen lassen (und selbst gezogen),
     damit Sie keine Gewissensbisse mehr haben müssen.
    Bei Menschen, die sich selbst nicht gut kennen, spielen die Meinungen anderer und deren Erwartungen eine prägende Rolle.
     
    Alle hatten Beate schon in der Schule gesagt, was sie unbedingt studieren müsse. Für den Deutschlehrer war klar: »Germanistik,
     bei Ihrem Sprachgefühl!« Die Englischlehrerin, begeistert über Beates Kenntnisse nach dem einen Jahr als Austauschschülerin,
     wusste: »Nur Anglistik kommt für Sie infrage!« Für andere, die sie als Chefredakteurin der Schülerzeitung schätzten, stand
     fest: »Sie müssen Journalistin werden!« Ob sie für ein Studium überhaupt geeignet war, schien sich niemand zu fragen – außer
     Beate, die bei aller Ermutigung im Inneren nie ganz das Gefühl losgeworden war, den Leuten Sand in die Augen zu streuen. Gewiss,
     sie konnte Menschen schnell für sich einnehmen, aber die machten sich dann selten die Mühe zu fragen, was sie eigentlich wollte,
     sondern luden auf ihr ab, was ihnen selbst zu Beate einfiel. Ihre Eltern waren da anders, aber auch nicht sehr hilfreich:
     Sie sagten, Beate solle machen, was sie wolle, sie, die Eltern, stünden dahinter, wenn sie es nur gut mache. Beate aber wusste
     nicht, was sie wirklich wollte, sie wusste nur, dass man von ihr Erfolg erwartete. Wo sie nun auch noch ihr Abitur mit dem
     Notendurchschnitt von 1,5 bestanden hatte!
     
    Mit Abhängigkeit hat es auch zu tun, wenn Sie – wie Beate – zu viele Verpflichtungen eingehen und Zusagen machen, die Sie
     später nicht einhalten können. Sie denken, dass Sie durch das Jasagen Ihre Angst davor, nicht liebenswert zu sein, beseitigen
     können. Sie hoffen, Zuneigung und

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