Schluss mit der Umerziehung!
Organisationsentwicklung â auch und gerade in einem matriarchalisch geprägten Frauenunternehmen. Einige Kolleginnen mit Führungsverantwortung glauben noch, dass sie in ihrem Team letztlich auch für alles kompetent sein müssen, was bei einer gröÃeren Organisation komplett unmöglich ist. Alle sind »nur« Mitspielerinnen â wie in einem Orchester â und erzeugen den Klang erst gemeinsam, es tut auch der Dirigentin keinen Abbruch, dass es eine erste Geige gibt, die sie gar nicht spielen kann. Sie ist ohnehin eher Geburtshelferin für den Klang, nicht diejenige, die ihn erzeugt.
In klassischen Unternehmen wird das Problem der Veränderung und Erweiterung von Führungsrollen meist durch den Austausch von Führungskräften gelöst. Das kann ein Weg sein, wir sehen jedoch, dass die Veränderung von Aufgabenstellungen meistens am besten durch neue Kombinationen von Kompetenzen und die Transformation von Rollen zu bewältigen ist. Damit kann das Neue Platz finden, ohne auf die langjährig aufgebauten Erfahrungen zu verzichten. Und Innovation ist eine ständige Aufgabe, auch bei uns.
Nehmen wir zum Beispiel den Produktbereich Au-pair. Es ist ein ganz eigener Aufgabenkreis, der da gestaltet werden will, ein eigener sehr spezifischer Wissenskanon, der gepflegt und weiterentwickelt werden muss. Immerhin sind wir heute die gröÃte Au-pair-Agentur im Land. Welche Gesetze regeln die Aufnahme von Au-pairs? Wie muss mit Botschaften und Ausländerbehörden umgegangen werden? Wie finden wir die richtigen Partner in der Ukraine? Wie kommen Frauen aus Kenia, Chile oder der Mongolei zu uns? Was müssen die Gastfamilien wissen? Warum gibt es keine Au-pairs mehr aus Schweden oder Frankreich? Wie findet man einen Au-pair- Mann und wie bewährt sich das in den Familien? Was tun, wenn ein Ehemann eine sexuelle Beziehung mit dem Au-pair hat? Wie schreiben wir das alles auf? Wie organisieren wir unsere Datenbank im Internet? Kurz: ein ganzes Universum, das sehr spezielle Kenntnisse von unseren Beraterinnen verlangt. Niemand hat dies irgendwo studiert, es muss vollständig innerhalb der Firma vermittelt und ständig angepasst werden an neue Entwicklungen. Der Bereich Au-pair verlangt, genau wie die Kindertagespflege oder die Schuldenberatung, politische Allianzen und echte Lobbyarbeit. So sind die Anforderungen an die Aufnahme von Au-pairs aus Osteuropa nach dem Visa-Skandal unter Joschka Fischer ständig verschärft worden. Deutschland ist heute im Vergleich zu anderen Ländern bei der Einreise von Au-pairs besonders restriktiv â die Zulassung hat sich, von der Ãffentlichkeit fast unbemerkt, in den letzten Jahren als Resultat politischer Entscheidungen praktisch halbiert. Das bedeutet aber für die interessierten Familien einen groÃen Nachteil, denn es stehen nicht wirklich gute Alternativen zur Verfügung, um zum Beispiel mehrere Kinder nachmittags vom Kindergarten und der Schule abzuholen. Au-pairs müssen heute bereits ziemlich gut Deutsch sprechen, bevor sie einreisen dürfen, das ist eine groÃe Hürde, weil längst nicht überall ein Goethe-Institut seine Dienste anbietet. Letztlich ist es also ein weiterer Standortnachteil für Deutschland auf dem globalen Markt junger qualifizierter Arbeitskräfte â denn Au-pairs sind meist Studentinnen, die später in ihrem Land zur Elite zählen. Das Ganze ist damit Teil der komplizierten politischen Auseinandersetzungen: Ob die Tätigkeit eines Au-pairs für eine Familie grundsätzlich eher als Ausbeutung zu betrachten ist oder eher als Chance für die jungen Leute und als positive Erfahrung für die aufnehmenden Familien â bei solchen Fragen tun sich alte politische Grabenkämpfe auf, etwa zwischen den Gewerkschaften und einigen Wohlfahrtsverbänden einerseits, die dieses Modell eher mit Skepsis betrachten, und politischen Kräften wie der FDP andererseits, die es einfach begrüÃt, wenn berufstätige Familien eine bezahlbare Hilfe finden können.
Führung ohne Kommandostrukturen
In einem Unternehmen, das seine ersten Sporen verdient hat, gibt es, gerade bei gut eingespielten Frauenteams, die Gefahr, dass sich Routinen einschleichen, die zu weit innerhalb der Komfortzone, des Wohlfühlklimas, liegen. Bei guter Stimmung und Auftragslage besteht stets die Gefahr, den Markt zu vergessen â nicht genug auf der Aussichtsbrücke zu stehen und auf
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