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Schluss mit der Umerziehung!

Schluss mit der Umerziehung!

Titel: Schluss mit der Umerziehung! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela A. Erler
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bin nun im wahrsten Sinn Unternehmerin, führe nicht die operativen Geschäfte, mische mich nicht in den Alltag unserer Geschäftsführung ein, stehe ihr aber dort zur Seite, wo sie das nachfragt. Wir haben andere Kolleginnen, die von Führungsaufgaben in Beratungs- und Datenbankprojekte übergewechselt haben und deren Ressourcen jetzt sehr geschätzt werden. In einem Kosmos, in dem die Hierarchien nicht sehr ausgeprägt sind und Fachaufgaben eine hohe Wertschätzung genießen, ist das nicht mit großen Statuseinbußen verbunden, sondern vielleicht sogar mit Gewinnen. Solche flexiblen Wechsel zu ermöglichen, ohne dass diese als Degradierung empfunden werden, sind eine wichtige Entwicklungsaufgabe für das frauengerechte Unternehmen der Zukunft.
    Das Organigramm-Drama
    Eine visionäre Figur im Zentrum kann für die existenziellen Grundfragen eines Unternehmens – wie spielen alle zusammen, wie werden hohe Einsatzbereitschaft und Ideenreichtum immer wieder neu geboren – eine wichtige Rolle spielen, entscheidend aber ist die Qualität der Rückbindung dieser Kernvision in die Gewebefaser, ein Prozess, der niemals abgeschlossen und überdies mit Frauen sehr herausfordernd, allerdings auch besonders fruchtbar ist. Unsere Entwicklungssprünge waren, bei so begrenzten Ressourcen, gerade mit Frauen möglich, und zwar dadurch, dass sie viel Autonomie, Entwicklungsraum und Sinnhaftigkeit geschenkt bekamen.
    IT, Grafik, Buchhaltung, Personalverantwortung sind bei uns zentrale Funktionen. Alle Standorte müssen sich an ihrer Finanzierung mit Pauschalabgaben beteiligen. Diese sind festgelegt und werden verständlicherweise oft wie eine Zwangssteuer empfunden – eine Zentrale hat immer den Hang, zu wachsen und sich zu verselbstständigen. Wir versuchen, dem entgegenzuwirken, indem möglichst viele Aufgaben über das ganze Netzwerk verteilt und möglichst viele davon als notwendiges »Ehrenamt« auf Gegenseitigkeit eingebracht werden, weil sonst die finanzielle Bürde unvertretbar hoch würde.
    Die Aufgaben des Unternehmens wurden in sogenannte »Produktbereiche« aufgeteilt – die für diese Felder zuständigen Kolleginnen bilden eigene Arbeitsgruppen und Netze, haben jeweils eine Koordinatorin mit dem Namen »Produktverantwortliche«. Wer die Verantwortung für einen solchen Produktbereich innehat, kann und muss reisen, in politischen Gremien auftreten und sich innerhalb und außerhalb des Unternehmens Sichtbarkeit und Ansehen verschaffen. Je nach Umfang sind solche erweiterten Zuständigkeiten auch mit Zusatzbezahlungen verknüpft, allerdings in begrenztem Umfang. Damit wurde ein überregionales Tätigkeitsnetz geschaffen.
    Unser Organisationsmodell beruht darauf, dass jeder Standort auch Kompetenzen und Arbeit ins Gesamtnetz einbringt, die der Weiterentwicklung des Gesamtsystems dienen – wovon er wiederum selbst profitiert, denn kein lokaler Standort könnte mit derselben Attraktivität und Leistungstiefe allein am Markt auftreten. Die Produktbereiche genießen durchaus eine gewisse Autonomie – das Prinzip, Aufgaben dezentral zu lösen, ist wirtschaftlich für uns unverzichtbar. Es ist aber auch ein Kernbaustein für die hohe Motivation unserer Kolleginnen und Kollegen. Hier besteht ein Spannungsfeld, wenn zum Beispiel eine Produktgruppe mehr Ressourcen möchte, mehr Zeit, Personal und Geld für ausführliche Beratung, für Qualifizierung oder Publikationen – und dies im Gesamtsystem nicht möglich ist, auch von den anderen Bereichen so nicht akzeptiert werden kann. Viele Entscheidungen sind also hochpolitisch und es besteht durchaus die Gefahr, dass sie zu lange verzögert werden, um andere Teams oder Personen nicht zu verprellen. Ein rasches »Durchregieren« andererseits, ohne dass die Frontfrauen überzeugt sind, funktioniert meist nicht, denn dabei werden wichtige Signale überhört. Das Gesamtsystem in seinen Strukturen ist also innerlich verknüpft, aufeinander bezogen. Dabei ist es manchmal in der Gefahr, sich zu langsam zu verändern. Die Frage ist nun, wie sich unsere Organisationsform – Standorte einerseits, Produktgruppen andererseits – dynamisch entwickeln lässt.
    Wir sind ein matriarchalisch geprägtes Unternehmen. Die zentralen Figuren sind nicht allmächtig, sie können es nicht sein. Sie müssen wahrnehmen, was sich innerhalb und

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