Schlussakt
wollten wir am selben Ort, an dem wir uns die Wut aus dem
Leib geschrien hatten, einrenken, was sich einrenken ließ. In regelmäßigen
Abständen rollten leere Bierflaschen über die Fliesen, flogen Kronkorken ins
Waschbecken. Der Wasserdampf hatte sich in den Winterabend verflüchtigt, Marc
seine Brille wieder aufgesetzt. Hin und wieder fiel ein Satz, ein
Erklärungsversuch.
»Bernd wollte unser Verhältnis geheim halten«, sagte Covet.
»Das war seine Bedingung, von Beginn an. Mit dir hatte das nichts zu tun. Ihm
hat gereicht, wie sie sich im Theater das Maul über ihn und Annette zerrissen
haben. Kein Wort zu niemandem, das war unsere Abmachung.«
»Nach einem Mord wäre so eine Abmachung zu überdenken.«
Er zuckte die Achseln. Wir schwiegen, popelten an den
Etiketten der Bierflaschen herum. Viel Platz war nicht mehr im Badezimmer. Ich
hatte zwei neue Stühle angeschleppt und die Trümmer des alten beiseite geschoben.
Marc stützte sich mit einem Ellbogen auf dem Waschbecken ab, meine Füße lagen
auf dem Rand der Badewanne. Der Klodeckel bot die letzte Sitzmöglichkeit.
»Sei mir nicht böse, wenn ich das nicht kapiere«, sagte ich.
»Er war mit dir zusammen und ließ sich trotzdem noch einmal mit Annette ein?«
»So ist Bernd halt.«
»Du warst begeistert, nehme ich an.«
»Hellauf begeistert.«
»Prost.«
»Prost, Max.«
Mein Stuhl quietschte. Viel stabiler als der kaputte war er
nicht. Vielleicht ließen sich die Beine wieder anleimen.
»Du, ich kaufe dir einen neuen«, sagte Marc, vom Geräusch
aufgeschreckt. »Ehrlich.«
»Vergiss den Stuhl. Verrate mir nächstes Mal lieber gleich,
mit wem du was am Laufen hast. Und tritt mir meinetwegen das Schienbein blau,
wenn ich die falschen Fragen stelle.«
»Nächstes Mal?«, murmelte er.
Ich hätte ihn gerne gefragt, wie er es geschafft hatte, sein
Faible für Männer zu verheimlichen. Seit wann er es selbst wusste. Ob Nagel
sein erster Liebhaber gewesen war. Und ob es jetzt ein für allemal vorbei war
mit dem Womanizer Marc Covet. Aber gewisse Fragen stellt man einfach nicht,
auch nicht, wenn man gerade das dritte oder vierte Bier gemeinsam getrunken
hat.
Das vierte, stellte ich nach kurzem Blick auf den
Badezimmerboden fest.
»Wir stecken in der Zwickmühle, Bernd und ich«, sagte Covet.
»Am Sonntag, als er bei mir übernachtete, riet ich ihm, der Polizei von unserem
Verhältnis zu erzählen. Aber am Ende macht ihn das noch verdächtiger, und wer
garantiert uns, dass es nicht an die Presse weitergegeben wird? In dieser
Situation, stell dir das mal vor. Wo jeder nach einem Lustmörder sucht und
jetzt auch noch Barth-Hufelang als Pädophiler entlarvt wurde.«
»Wenigstens das muss ja nicht an die Öffentlichkeit kommen.«
»Ist es schon«, winkte er düster ab. »Das Heftchen mit den
Kinderfotos war vorhin Gesprächsthema Nummer eins auf den Redaktionsfluren. Bei
uns läuft alles Amok. Jeder will seinen Senf dazugeben, einen Kommentar
schreiben, den Untergang des Abendlands beschwören. Wenn in dieser aufgeheizten
Stimmung auch noch bekannt wird, dass ein stadtbekannter Redakteur bi ist und
was mit dem Hauptverdächtigen hat, dann gute Nacht.«
Wieder herrschte eine Zeit lang Schweigen. Das Bier trank
sich wie von selbst an diesem Abend.
»Meinst du nicht«, sagte ich schließlich und kratzte mich am
Kopf, »dass man in Heidelberg tolerant genug wäre, auch etwas ungewöhnlichereWeisen … also, andere sexuelle Verhaltensweisen zu
akzeptieren? So ganz hinterm Berg leben wir hier schließlich nicht. Wenn sich
heute der Oberbürgermeister als schwul outen würde, wäre das keine Schlagzeile
mehr wert.«
»Natürlich gäbe es Schlagzeilen, jede Menge. Politisch
korrekte natürlich, pseudoliberale. Aber Schlagzeilen! Und ich frage mich, wie
liberal der männliche Durchschnittsheidelberger gegenüber Schwulen eingestellt
ist, die auch auf Frauen stehen und damit in seinem eigenen Revier wildern.
Trotzdem, du hast schon recht, ich würde es wohl riskieren. Lieber ein Ende mit
Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Es war Bernds Wunsch, stillzuhalten. Er
hat mehr zu verlieren als ich. Kannst du dir Frau von Wonneguts scheinheiligen
Blick vorstellen, mit dem sie ihren geouteten Liebling begrüßen würde?«
»So ungefähr.«
»Na also. Und jetzt, in dieser vertrackten Lage, ist es
ohnehin vorbei. Jetzt können wir nur hoffen, dass die Morde bald aufgeklärt
werden und das Thema vom Tisch
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