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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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sooft es geht, und rührt die Werbetrommel. Die Figaro -Proben
konnte er gar nicht leiten, weil er mal wieder unterwegs war.«
    »Er hat also nicht aus purer Menschenfreundlichkeit gegenüber
seinen Untergebenen auf die Premiere verzichtet?«
    »Bewahre.« Bernd Nagel winkte ab.
    Interessante Informationen. Wie hatte Frau von Wonnegut heute
Morgen geunkt? Man müsse Barth-Hufelang eine Perspektive bieten, sonst stehe
Heidelberg über kurz oder lang ohne Generalmusikdirektor da. Diese Befürchtung
war also keineswegs aus der Luft gegriffen. Ohne Barth-Hufelang kein Ring
2012 , ohne Ring kein erfüllter Lebensabend für Frau von Wonnegut.
    »Hat er denn Chancen?«, wollte ich wissen. »Ich meine, ist er
gut genug als Dirigent?«
    Die beiden sahen sich an. »Schlecht ist er nicht«, sagte
Marc.
    »Er hat einen passablen Ruf«, ergänzte der Geschäftsführer.
»Und Ellbogen. So dick er ist, der Mann versteht es, sich durchzusetzen.«
    »Dann erklären Sie mir eine Sache: Wenn Sie nicht gerade ein
Freund von Barth-Hufelang sind, der Förderverein mit Frau von Wonnegut an der
Spitze ihn aber unbedingt halten möchte, warum mischen Sie in diesem Verein
überhaupt mit? Arbeiten Sie nicht gegen Ihre eigenen Interessen?«
    Bernd Nagel sah mich einen Moment verblüfft an. Dann lachte
er. »Nichts für ungut, aber das sehen Sie ein wenig naiv. Was heißt hier meine
eigenen Interessen? Beruflich komme ich mit dem Mann ganz gut aus, und dass er
ab und zu den Diktator heraushängen lässt, juckt mich nicht. Ich arbeite
schließlich schon länger mit Musikern zusammen, da muss man realistisch sein.
Mit einem anderen wäre es auch nicht besser. Jeder Dirigent in dieser Position
hat seine Macken. Der eine ist unzuverlässig, der andere ein Ekelpaket, dem
dritten geht es nur um die Sopranistinnen. Ob Barth-Hufelang in Heidelberg
bleibt oder nicht, spielt für mich keine Rolle. Für die Zukunft unseres
Opernhauses wäre es jedenfalls besser, ihn zu halten. Denken Sie an die
Diskussionen um die Theaterrenovierung. An einem wie ihm kommt kein Stadtrat so
leicht vorbei. Und dass er die Hälfte der Zeit in Berlin lebt, ist für mich ein
eher angenehmer Nebeneffekt.«
    Ich leerte mein Glas, drehte mich um und schnippte mit den
Fingern Richtung Theke. Nach dieser Antwort, der längsten, die mir Bernd Nagel
während unserer kurzen Bekanntschaft gegeben hatte, brauchte ich dringend ein
frisches Bier. Er hielt mich also für naiv. So ein Zufall, dasselbe hätte ich
über ihn sagen können.
    »Außerdem«, ergänzte Covet, »heißt das noch lange nicht, dass
du das Wagner-Projekt der alten Wonnegut unterstützt. Ich meine, der komplette Ring in Heidelberg oder ein neues Opernhaus, das sind doch überzogene Pläne.«
    »Ja und nein. Natürlich braucht die Region keine weitere große
Spielstätte, solange es bessere in Mannheim und Karlsruhe gibt. Oder in
Frankfurt. Davon abgesehen erfordert der Ring ein größeres Orchester,
als Heidelberg derzeit hat. Andererseits: Wenn Frau von Wonnegut mit ihren
Beziehungen Millionen locker macht, werde ich mich nicht sträuben, sie in Musik
zu investieren.«
    »Haben Sie sich mal mit Barth-Hufelang gestritten?«, fragte
ich. »Wegen was auch immer?«
    »Nein, habe ich nicht«, entgegnete Nagel finster. »Streiten
gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen.«
    Ich schaute nach der Bedienung, um den Blicken der beiden
auszuweichen. Natürlich gehörte Streiten nicht zu Nagels
Lieblingsbeschäftigungen. Es schadete seinem Teint, sein Hausarzt hatte es ihm
untersagt. Lieber Händchenhalten und Mozart hören.
    »Also haben Sie sich auch nie mit Annette Nierzwa
gestritten«, sagte ich. »Wie schön. Warum ging die Beziehung dann auseinander?«
    Nagel sah mich an, als warte er auf eine Pointe, die dem
Gesagten einen Sinn verleihen könnte. Dann tippte er sich an die Stirn und wandte
sich Covet zu. »Warum soll ich auf so etwas antworten?«, beschwerte er sich.
»Warum? Was erlaubt der sich eigentlich?«
    »Warum Sie mir antworten sollen?«, fuhr ich ihn an. »Weil
Ihnen noch heute oder spätestens morgen dieselben Fragen gestellt werden, Herr
Nagel: Wie lange ging das mit der Nierzwa? Warum waren Sie zusammen? Warum
haben Sie sich getrennt? Gab es Streit? Ging es um Geld? Waren Sie sauer auf
sie, waren Sie eifersüchtig, gab es dafür einen Grund? Und das wird dann alles
schriftlich niedergelegt, da können Sie sich nicht bei Marc beschweren, dass
Ihre

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