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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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»Meiner Meinung nach. Einen Médoc. Aber nicht
zu kalt, bitte.« Letzteres galt der melancholischen Bedienung, die an unseren
Tisch getreten war.
    »Ich hörte, Sie haben sie auch gut gekannt«, sagte ich.
    Er wandte mir sein Gesicht zu. »Wen bitte?«
    »Annette Nierzwa.«
    »So, haben Sie das?«
    »Können Sie sich
vorstellen, wer sie erwürgt hat?«
    »Ist das denn sicher, dass sie erwürgt wurde?«
    Ich nickte der Einfachheit halber. Ein übergewichtiger,
schnaufender Mensch, der einem prinzipiell mit einer Gegenfrage antwortete.
Sehr sympathisch.
    »Erwürgt«, sinnierte er kopfschüttelnd. »Ist das nicht
schrecklich?«
    »Können Sie sich vorstellen, wer sie erwürgt hat?«,
wiederholte ich.
    Barth-Hufelang blickte zu mir herüber, zu Covet, zu Nagel,
wieder zu mir, schüttelte den Kopf, sagte: »Nein. Warum? Warum fragen Sie mich
das? Haben Sie vielleicht eine Vorstellung?«
    »Ich frage, weil das zu meinem Beruf gehört. Ich bin
Privatdetektiv.«
    Der Dirigent schwieg. Ich wartete auf einen Kommentar, eine
Frage, doch er musterte mich wortlos. Ich war mit Sicherheit der erste
Privatflic, mit dem er zu tun hatte. Nicht einmal in Opern kamen wir vor. Sein
Médoc wurde gebracht, er griff mechanisch nach ihm.
    »Noch ein Pils«, rief ich der Bedienung hinterher. »Und nicht
zu warm, bitte.« Kurz flackerten ihre blauen Augen auf, aber ihre Miene blieb
todtraurig.
    »Privatdetektiv«, murmelte Barth-Hufelang und nippte an
seinem Wein. »Privatdetektiv, interessant. Heißt das, dass Sie in diesem Fall
ermitteln?«
    »Ich war gestern zufällig vor Ort. Auch als Ermittler geht
man hin und wieder in die Oper, nicht wahr? Aber ich höre mich ein wenig um.«
    »Der Herr ermittelt«, sagte Bernd Nagel, »weil die Polizei
mich als dringend Tatverdächtigen behandelt.«
    »Sie?«, rief Barth-Hufelang, schrill und gekünstelt
auflachend. »Sie, Bernd? Das ist doch lächerlich! Nur weil Sie … Da könnte man
genauso gut mich verdächtigen.«
    »Sie haben ein perfektes Alibi«, sagte ich. »Drei Stunden Figaro .
Jede einzelne Note ist Ihr Zeuge.«
    Von einem Moment auf den anderen schaute er ziemlich
verkniffen. »Ich habe gestern nicht dirigiert«, sagte er.
    »Nicht?«, entgegnete ich überrascht.
    »Nein.«
    »Unterbrechen Sie mich, wenn ich was Falsches sage, aber ich
dachte, der Generalmusikdirektor …«
    »… dirigiert sämtliche Premieren«, beendete er den Satz. »Das
denken viele da draußen. Dabei ist es gängige Praxis, den Ersten Kapellmeister
hin und wieder ranzulassen. Schon um die jungen Leute zu fördern. Dem Orchester
tut es ebenfalls gut. Außerdem habe ich den Figaro in meiner Laufbahn
schon dreimal auf die Bühne gebracht.« Er schüttete seinen Médoc mit einer
Miene hinunter, als sei es Lebertran.
    Sieh an, der Dicke war ja die Menschlichkeit in Person. Pfiff
auf Hierarchien, ließ seinen Assi die Lorbeeren einheimsen. »Das heißt, Sie
waren gestern nur als Zuhörer da?«
    »Warum nicht?« Bevor ich antworten konnte, sprach er weiter.
»Hören Sie mal, Sie Privatdetektiv, warum fragen Sie das alles? Soll das ein
Verhör sein?«
    »Verhöre führt nur die Polizei.«
    »Und weshalb wollen Sie …?«
    »Einen Moment«, mischte sich Covet ein. »Bevor es hier zu weiteren
Missverständnissen kommt: Unser Freund Max Koller ist keineswegs in seiner
Eigenschaft als Ermittler hier. Bernd und ich haben ihn aufgrund seiner
beruflichen Erfahrung zu einem Gespräch gebeten, zu einer Art
Meinungsaustausch. Ein reiner Freundschaftsdienst, verstehen Sie? Man braucht
nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass die Nachforschungen der Polizei
sich um Bernd und sein Verhältnis zu Annette Nierzwa drehen werden.«
    Schweigend nahm ich mein Bier entgegen. Eine Art
Meinungsaustausch, dass ich nicht lachte!
    »Aber das ist doch Unsinn!«, rief Barth-Hufelang.
»Ausgerechnet Sie, Bernd! Wo Sie keiner Fliege etwas zuleide tun können. Die
sollen sich lieber den Woll vornehmen. Dem traue ich alles zu. Alles.« Er griff
zu seinem Glas, setzte es wieder ab und fügte leiser hinzu: »Bitte, das bleibt
unter uns.«
    »Wer ist Woll?«, fragte ich.
    »Ihr Ehemann. Soloklarinette.«
    »Und ihm trauen Sie einen Mord zu?«
    Barth-Hufelang wandte sich mir ruckartig zu und legte das
ganze Gewicht seines Generalmusikdirektorenamtes in seinen Blick. »Merken Sie
eigentlich«, rief er, »dass Sie mir eine Frage nach der anderen stellen? Dass
Sie mich mit Ihren Fragen löchern? Sitze ich

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