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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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hier auf der Anklagebank? Ist das
ein Kreuzverhör?«
    »Tut mir leid«, lächelte ich. »Kann wohl nicht so ganz aus
meiner Haut. Ständig bricht der Ermittler durch. Trotzdem würde mich
interessieren, was gestern Abend passiert ist. Annette Nierzwa wurde während
der Vorstellung ermordet, und Sie sind wie so viele andere ein potenzieller
Zeuge.«
    »So? Bin ich das?«
    »Vielleicht haben Sie die Vorstellung einmal verlassen und
etwas …«
    »Nein«, unterbrach er mich scharf. »Habe ich nicht.«
    Das war wenigstens eine klare Antwort. Allerdings war es auch
die letzte, denn kaum hatte er sie gegeben, erhob sich der Dirigent schnaufend,
griff nach seinem Mantel und nickte Covet und Nagel zu.
    »Sie entschuldigen mich«, sagte er knapp. Mich würdigte er
keines Blickes.
    Auf Barth-Hufelangs Abgang folgte eine längere
Gesprächspause. Ich beschäftigte mich mit meinem Bier, Nagel schaute dem
Zigarettenrauch nach, den er gen Decke blies, bis er einen Hustenanfall bekam.
    »Ich habe ein Jahr lang nicht mehr geraucht«, sagte er
entschuldigend.
    »Hör mal, Max«, begann Covet, ohne mich anzusehen.
    »Wetten«, sagte ich, »dass er der Bedienung keinen Cent
Trinkgeld gegeben hat? Weil er dünne Menschen hasst, deshalb. Wir können sie
fragen, wenn ihr wollt. Ich bin sicher, dass sie ihm bis auf die letzte
Kommastelle herausgeben musste.«
    »Hör mal zu«, wiederholte Covet. »Du musst Barth-Hufelang weder
mögen noch ihm in den Arsch kriechen. Aber er und Bernd arbeiten zusammen.
Deshalb wäre es angesichts der derzeitigen schwierigen Situation nett von dir,
wenn du dich wenigstens neutral verhalten würdest.«
    »Tue ich doch. Ich stelle ihm eine neutrale Frage nach der
anderen, und er beantwortet sie nicht. Oder ist sein Geschnaufe die Antwort? So
eine Art Geheimsprache, die nur Musiker verstehen?«
    »Du brauchst uns keine Nachhilfestunde zu geben«, sagte
Covet, während Nagel schmunzelte. »Zu der Erkenntnis, dass Barth-Hufelang ein
Kotzbrocken ist, sind wir ganz alleine gekommen.«
    »Prima. Wer ist Woll?«
    »Annettes Ex-Mann«, antwortete Nagel. »Gregor Woll. Ein gutes
Stück älter als sie. Spielt seit Ewigkeiten im Orchester.«
    »Wie lange waren die beiden verheiratet?«
    Nagel überlegte. »Fünf Jahre, glaube ich. Bis vor drei
Jahren.«
    »Was geschah, nachdem die Ehe auseinander ging? Mit wem war
Annette Nierzwa zusammen?«
    »So genau weiß ich das nicht. Unter anderem mit einem
Schauspieler. Den hat es mittlerweile nach München verschlagen. Dann längere
Zeit niemand Festes. Vor einem Jahr oder so lief die Geschichte mit
Barth-Hufelang.«
    »Und dann kamen Sie?«
    Er nickte.
    »Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Ihnen und
Barth-Hufelang bezeichnen?«
    »Unser Verhältnis?« Er lachte. »Wie meinen Sie das? Privat
oder beruflich?«
    »Beides.«
    Nagel zuckte die Achseln und klopfte etwas Asche von seiner
Zigarette. »Privat gibt es kein Verhältnis zwischen mir und ihm. Wir machen
beide unseren Job, wir machen ihn ordentlich, das wars. Es gibt keine
gemeinsamen Skatabende nach Feierabend, wenn Sie das meinen.«
    »Nein, das meine ich absolut nicht.« Fleckige Skatkarten in
den Händen dieses Schönlings, das war unvorstellbar. »Ist Barth-Hufelang als
Generalmusikdirektor eigentlich Ihr Chef?«
    »Manchmal tut er so. Aber
wir sind gleichberechtigt. Wissen Sie, ich trenne Beruf und Privatsphäre, und
damit bin ich immer gut gefahren, auch mit ihm.«
    »Wobei er schon unangenehm sein kann«, warf Marc ein. »Er hat
seine Hausmacht und seine Anhänger, siehe Frau von Wonnegut.«
    »Die hat jeder Dirigent.«
    »Und die Tatsache, dass Sie ihm die Freundin weggeschnappt
haben?«, fragte ich.
    »Ich habe sie ihm nicht weggeschnappt«, entgegnete Nagel
kühl. »Die beiden waren nicht mehr zusammen, als Annette und ich ein Paar
wurden. Außer Bettgeschichten lief da ohnehin nichts. Barth-Hufelang wollte
sich ja nicht von seiner Frau trennen.«
    »Seiner Frau? Er war verheiratet?«
    »Ist er immer noch. Und hat zwei Kinder. Kein Grund für ihn,
auf eine Geliebte zu verzichten.«
    »Die Familie lebt in Berlin«, sagte Covet. »Er auch, wenn er
nicht gerade in Heidelberg dirigieren muss. Hier hat er bloß eine Wohnung, und
es ist ein offenes Geheimnis, dass er wieder zurück möchte.«
    »Weg aus Heidelberg? Aus einer Stadt, die fast Weltkulturerbe
geworden ist?«
    »Er träumt von einem der Berliner Opernhäuser«, sagte Nagel.
»Deshalb dirigiert er dort,

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