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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Intimsphäre bedroht ist und Ihr guter Ruf auf dem Spiel steht. Die Polizei
wird Sie auseinandernehmen, weil alles nach einer Beziehungstat aussieht, und
da ist jede Frage erlaubt, verstehen Sie? Jede.«
    Mein Bier kam, Gott sei Dank.
    »Gut«, sagte Nagel patzig wie ein Schulbub. »Soll mich die
Polizei befragen. Sie hat das Recht dazu.«
    Ich zuckte die Achseln, nahm einen extragroßen Schluck Bier
und stellte das Glas geräuschvoll auf den Tisch zurück. Auch so eine
Schulbubenreaktion.
    »Ihr seid vielleicht
Sturköpfe«, sagte Marc. »Kommt mal runter von eurem hohen Ross und erinnert
euch daran, worum es hier geht. Bernd, du warst damit einverstanden, dass Max
ermittelt. Also reiß dich zusammen und erzähle ihm von Annette. Er hat recht,
du wirst in den nächsten Tagen dazu noch oft Stellung nehmen müssen. Und du,
Max, hältst dich mit deinen Kommentaren zurück und fragst nur Dinge, die du
unbedingt wissen musst. Einverstanden?«
    »Wie soll ich im Vorhinein wissen, was ich wissen muss? So
etwas weiß man immer erst hinterher.«
    »Einverstanden, ja oder nein?«, rief Covet und schlug mit der
flachen Hand auf den Tisch. Nebenan schauten sie irritiert zu uns herüber.
»Sonst beenden wir das Gespräch auf der Stelle.«
    »Hängt von ihm ab«, entgegnete ich trotzig.
    Schweigend sog Nagel an seiner Zigarette. Sein Blick wanderte
durch die Gaststube, leicht zitterten die Nasenflügel. Noch einmal füllte er
seine Lunge mit Rauch, dann stopfte er die Kippe mit drei Fingern in den Aschenbecher.
    »Tut mir leid«, sagte er ausatmend. »Du hast natürlich recht,
Marc. Jeder darf alles von mir erfragen. Was er nur möchte. Auch dein Freund
Max. Ich stehe zur Verfügung.«
    »Dann schlage ich vor«, sagte ich, »dass Sie mir von Ihrer
Beziehung erzählen, und ich hake nur ein, wenn es absolut notwendig ist.
Zufrieden?«
    »Kindergarten«, knurrte Marc, lehnte sich zurück und
bestellte einen Whisky.
    Während Covet und ich an
unseren Getränken nuckelten, ließ Bernd Nagel sein Verhältnis zu Annette
Nierzwa Revue passieren. Er erzählte mit Sicherheit nicht einmal die Hälfte von
dem, was wichtig gewesen wäre, und er garnierte seinen Bericht mit einer Menge
überflüssiger Plattitüden, trotzdem kam ein einigermaßen zusammenhängendes Bild
zustande. Annette hatte er vor gut zwei Jahren, bald nach Antritt seiner Stelle
in Heidelberg, kennen gelernt. Eine Person, die sich nicht viel aus klassischer
Musik machte, dank ihres Aussehens aber – so verstand ich seine Andeutungen –
auch dem Liebhaber klassischer Formen zusagte. Mit anderen Worten: Er war gerne
mit ihr ins Bett gehüpft. Allerdings nicht gleich, die Sache ging ihm zu
schnell. Annette war beleidigt, machte vor seinen Augen mit anderen Männern
rum, warf sich schließlich dem dicken Barth-Hufelang an den Hals, um sich von
diesem bald wieder zu trennen. Erneute Annäherung an den attraktiven
Geschäftsführer, der nun dem Ruf der Lenden nicht länger widerstand. Was Nagel
natürlich ein wenig anders formulierte. Vor einigen Wochen, Monaten die
Trennung, die keine Trennung war, sondern ein Auseinanderleben, Erkalten,
Langweilen. Wie das so ist und wie das so geht. Divergierende Interessen
erwachsener Leute.
    »Es hat halt nicht sein sollen«, sagte Nagel.
    »Klingt ziemlich souverän.«
    »Wenn Sie meinen. Trotzdem ging es an mir nicht spurlos
vorüber. Ich habe mir meine Gedanken gemacht.«
    »Gestern Abend zum Beispiel.«
    »Exakt.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Annette wollte es
noch einmal probieren. Letzte Woche kam sie damit an. Das hat mich aus dem
Konzept gebracht, fragen Sie mich nicht, warum. Eigentlich hatte ich mit ihr
abgeschlossen.«
    Ich warf Marc, der einigermaßen perplex dasaß, einen Blick
zu. Seine Version der Geschichte hatte anders geklungen. Offensichtlich erfuhr
auch er in diesem Moment Neues.
    »Und nun waren Sie wieder unsicher?«
    »Nein«, wand sich Nagel. »Es war vorbei, ich wollte nichts
mehr von ihr. Aber wie das so ist, man hatte eine gemeinsame Zeit, man erinnert
sich daran, denkt über sich und die Welt nach, wo man gerade steht, wohin man
will … Kennen Sie das nicht? Dass es Tage gibt, an denen man sich die wirklich
wichtigen, die grundlegenden Fragen stellt?«
    »Doch«, sagte ich. »Immer
an meinem Geburtstag. Und dann trinke ich mir die Antworten herbei.«
    »Auch eine Möglichkeit«,
brummt e Nagel.
    »Sie dagegen sind durch die Altstadt spaziert, um

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