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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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für meine Ohren bestimmt.
    »Jedenfalls keine hohe Kunst. Bloß niedere
Triebbefriedigung.«
    »Prima formuliert«, fuhr er auf. »Darf ich gratulieren, Max?
Sind nun alle deine Vorurteile gegen Bernd bestätigt? Hast du ihn da, wo du ihn
immer haben wolltest? In der Ecke der Scheinheiligen?«
    »Dafür kann ich nichts«, entgegnete ich kalt. »Das ist ganz
allein Bernd Nagels Schuld. Dich hat er schließlich auch belogen.«
    Covet nickte. »Ja, Herrgott noch mal. Was denkst du, wie ich
mich jetzt fühle? Ich habe Bernd immer wieder gefragt, ob er sich noch einmal
mit Annette getroffen hat. Aber wenn einer nicht will, kannst du ihn nicht
zwingen. Schöne Scheiße.«
    »Du sagst es.«
    »Sonst hat er nichts gestanden?«
    »Bisher nicht. Bin gespannt, wie lange er das durchhält.«
    Covet lehnte sich zurück, atmete schwer aus und sah aus dem
Fenster. Eine Weile herrschte Stille. Aus den Nebenzimmern mogelten sich kleine
Geräusche in sein Büro, leise Gesprächsfetzen, das Klappern einer Tastatur, das
Gurgeln altersschwacher Drucker.
    »Und jetzt?«, beendete Marc schließlich das Schweigen. »Wie
wird es weitergehen?«
    »Gute Frage. Entweder er gesteht den Mord, dann musst du dir
überlegen, wie du dich ihm gegenüber verhältst. Falls nicht, kommt es darauf
an, ob es weitere Indizien gibt. Dass Nagel die Geschichte in seinem
Dienstzimmer verschwiegen hat, macht ihn zwar verdächtig, mehr aber auch nicht.
Über kurz oder lang werden sie ihn wohl freilassen. Und von da an jede Sekunde
überwachen. Er wird seine gepflegte Weltschmerzmiene aufsetzen, uns tief in die
Augen blicken und sagen: ›Hey, Leute, traut ihr mir so etwas zu? Ansonsten
bitte keine Nachfragen, Bernd Nagel ist schließlich ein Sensibelchen.‹«
    Covet machte keine Anstalten, seinen Kumpel in Schutz zu
nehmen.
    »Und dann kommt es darauf an, ob dein Freund Bernd ein Alibi
für gestern Nachmittag hat.«
    »Wieso für gestern?«
    Ich erzählte es ihm. In allen Einzelheiten: von
Barth-Hufelangs klaffendem Schädel über die Pädophilenlektüre bis hin zur bizarren
Hintergrundmusik. Ein grelles Detail nach dem anderen.
    »Das darf doch nicht wahr sein«, stöhnte Covet. »Wo leben wir
denn? Wer tut so etwas?«
    Ich schwieg. Irgendetwas störte mich an den Reaktionen meines
Freundes, irgendetwas fehlte. Richtig: die typische Handbewegung. Der Griff in
den Schreibtischschrank oder wo Marc Covet auch immer seine Alkoholvorräte
bunkerte. An normalen Tagen, den normalen Wahnsinn des Lebens im Blick, hätte
er sich längst eingeschenkt und jeden hinausgeschmissen, der ihm das Trinken im
Büro verbieten wollte. Heute nichts dergleichen. Marc war aschfahl, aber
nüchtern. Es musste ihm ganz schön dreckig gehen, wenn er sogar auf den
Seelentröster verzichtete.
    »Eins steht fest«, sagte er schließlich. »Damit hat Bernd
nichts zu tun. Ausgeschlossen. Weißt du, ich kann mir mit einiger Mühe
ausmalen, wie man im Affekt, im Streit auf den Partner losgeht und ihn so sehr
verletzt, dass er daran stirbt. Aber ein kaltblütiger Mord, wie du ihn
beschreibst – dazu ist Bernd nicht fähig.«
    »Das habe ich dem Kommissar auch gesagt. Überzeugt schien er
nicht.«
    »Ausgeschlossen.« Covet schüttelte sein Lockenhaupt.
    »Wollen wirs hoffen. Hast du Nagel gestern gesehen?«
    »Am frühen Nachmittag, kurz nach seiner Vernehmung. Es war
kein einfaches Gespräch. Er war gereizt, übermüdet, und ich habe mich
vermutlich nicht allzu geschickt angestellt. Wollte wissen, ob da wirklich
nichts mit Annette war.« Er zuckte die Achseln. »Ich hätte ihn in Ruhe lassen
sollen. Dann hätte er mir vielleicht alles erzählt.«
    »Und später?«
    »Gegen sechs habe ich versucht ihn anzurufen, aber nicht
erreicht. Wann, sagst du, wurde Barth-Hufelang ermordet?«
    »Eine exakte Tatzeit gibt es noch nicht. Oder man hat sie mir
verschwiegen.«
    »Weißt du, welchen Anwalt Bernd genommen hat?«
    »Keinen.«
    »Wie, keinen?«
    »Kommissar Fischer behauptet, er wollte niemanden
informieren, keinen Anwalt, keine Angehörigen, einfach niemanden.«
    Marc sah mich irritiert an. »Das ergibt doch keinen Sinn.«
    Im selben Moment öffnete sich die Tür, und eine behäbige
Masse Fröhlichkeit quoll herein.
    »Sie ist solo«, grinste Lothar, genießerisch die Hände
reibend. »Kein Freund, kein Ehegatte. Und sie freut sich schon, bei uns
volontieren zu dürfen. Wenn das mal kein Zeichen ist!« Als wir nicht
reagierten, entglitt ihm der

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