Schlussakt
nicht.«
»Das hätte man auch am Tatort gerochen.«
Sie lachte, bevor ich meinen vorlauten Kommentar bereuen
konnte. Dagmar Schulz schien keine von der empfindlichen Sorte zu sein.
»Entschuldigung«, sagte ich trotzdem. »Jedenfalls ermittle
ich im privaten Auftrag. Und wie das so ist, wenn man nicht den offiziellen
Blickwinkel einnimmt, kommen einem die seltsamsten Ideen, Gedanken und Fragen.
Zum Beispiel die, welche Rolle ein gewisser Freundeskreis des Musiktheaters im
kulturellen Leben der Stadt spielt.«
»Wieso denn das?«
»Unter anderem deshalb, weil mein Auftraggeber aus den Reihen
dieses Freundeskreises stammt.«
Frau Schulz kniff die Augen zusammen. »Sagen Sie das noch
mal.«
»Die Person, die mich beauftragt hat, ist Mitglied im Freundeskreis
des Musiktheaters. Erstaunt Sie das?«
»Allerdings. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:
Der Freundeskreis engagiert einen privaten Ermittler. Und dieser Ermittler hat
nichts Besseres zu tun, als zu mir zu kommen. Sie wissen, dass ich kein
Mitglied bin?«
»Ich weiß auch, dass es Gründe dafür gibt.«
»Und trotzdem sind Sie hier?«
»Deshalb bin ich hier.«
»Verstehe.« Sie kratzte sich am Kopf und stand auf. »Trinken
Sie einen Kaffee mit?«
»Gern.«
Sie öffnete die Zimmertür und rief über den Flur: »Zwei
Tassen Kaffee, Frau Schröder!« Dann holte sie Luft und setzte hinzu: »Bitte!«
»Ich habe mal gelesen, dass schwarzer Kaffee die schädliche
Wirkung von Zigaretten aufhebt«, sagte sie, während sie rauchend zu ihrem
abgewetzten Sessel zurückkehrte. »Und erzählen Sie mir nicht, dass es 1000
Studien gibt, die das Gegenteil behaupten. Das weiß ich selbst. Im Übrigen bin
ich als Dramaturgin für die inhaltlichen und organisatorischen Belange des
Orchesters zuständig. Programmgestaltung, Besetzungsfragen, Konzerteinführungen,
das ganze textliche Drumherum. Das muss reichen. Und jetzt bin ich gespannt
auf Ihre Fragen, Herr Koller.«
»Gern. Frage eins: Warum halten Sie sich vom Freundeskreis
fern?«
Sie lehnte sich zurück und blies den Rauch ihrer Zigarette
Richtung Decke. »Warum ich mich fernhalte? Weil dieser Verein nichts mit Musik
am Hut hat. Oder sagen wir: weil Musik für ihn nur Mittel zum Zweck ist.«
»Zu welchem Zweck?«
»Unterschiedlich.« Sie drückte ihre Kippe in dem Aschenbecher
aus, den sie auf die Lehne ihres Sessels gestellt hatte. »Gesellschaftliches
Renommee in erster Linie. Musik ist das schicke Handtäschchen, das man sich in
diesen Kreisen umhängt. Fällt auf und stört nicht weiter. Wer drei Autos in der
Garage hat, braucht kein viertes, sondern sucht nach etwas anderem. Musik ist
da ideal. Dem einen gefallen die Empfänge nach der Premiere, dem anderen die
Fachgespräche im kleinen Kreis beziehungsweise das, was man dafür hält. Der
Dritte ist Mitglied, um seinem Schwager eins auszuwischen, der Vierte will
unbedingt sein Gesicht in der Zeitung sehen, wenn über eine Spendenaktion
berichtet wird.«
»Ein Club der Besserverdienenden also?«
»Was dachten Sie? Theoretisch kann natürlich jeder Mitglied
werden. Aber wenn Sie sich finanziell nicht angemessen einbringen, wird man
Ihnen schnell bedeuten, dass Sie unerwünscht sind. Oder man setzt die Preise
für das Galadinner in Bayreuth so an, dass Sie von selbst einen Rückzieher
machen.«
Es klopfte. Barth-Hufelangs Sekretärin, die spitznasige Frau
Schröder, trat ein und servierte uns unter allen Anzeichen stillen Protests den
Kaffee.
»Sind Sie Mitglied bei den Freunden des Musiktheaters ,
Frau Schröder?«, fragte Dagmar Schulz.
Überrascht schüttelte die Frau den Kopf. Dann begann sie zu
husten; hustend verließ sie den Raum.
»Sehen Sie, Herr Koller? Es gibt keine Sekretärinnen,
Putzfrauen oder Bühnenarbeiter in dem Verein, sie mögen so musikalisch sein,
wie sie wollen. Niemand verwehrt ihnen den Beitritt; die gesellschaftlichen
Schranken sind hoch genug. Mein Nachbar, der ist dabei. Aber dem gehört auch
das größte Autohaus in Heidelberg.«
»Und Sie als Dramaturgin?«
Sie nippte an ihrem Kaffee. »Mich hätten die schon gewollt.
Es sähe ja auch komisch aus, wenn man die wichtigsten Funktionsträger aus dem
Haus außen vor ließe. Der Intendant, der GMD und noch ein paar andere gehören
zum Kern des Freundeskreises, und ihnen erlässt man so unschöne Dinge wie
Mitgliedsbeiträge selbstredend.«
»Da haben Sie nicht zugegriffen?«
»Oh, ich war geschmeichelt und bin
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