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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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sofort eingetreten. Vor drei
Jahren war das, als ich nach Heidelberg kam. Aber dann hatte ich ein längeres
Gespräch mit der Vorsitzenden, und danach habe ich schriftlich meinen Austritt
erklärt. Als musikalisches Feigenblatt für ein Selbstverwirklichungsgrüppchen
bin ich mir zu schade.«
    »Das wird Frau von Wonnegut aber gar nicht gefallen haben.«
    »Darauf können Sie Gift nehmen.« Dagmar Schulz rupfte und
zupfte an ihrem Busen herum, der auch einer weit größeren Frau, als sie eine
war, gut angestanden hätte. Anschließend griff sie wieder nach ihrer
Kippenschachtel und dem Feuerzeug.
    »Bernd Nagel besitzt auch eine Wild Card?«
    »Wild Card ist gut«, lachte sie heiser und hielt die
Zigarettenspitze in die Flamme. »Natürlich. Bernd steht auf so was.«
    »Und welche Musiker sonst?«
    »Barth-Hufelang, unser Intendant, der Operndramaturg, die
Leiterin des Tanztheaters, dazu eine Handvoll Mitglieder von Ensemble und
Orchester; das sind die Leute hier aus dem Haus. Dann der Kantor der
Heiliggeistkirche, ein überschätzter Pianist aus Heidelberg, ein paar Dozenten
von Uni und Hochschule. In der Regel Personen, die an irgendwelche Fleischtöpfe
herankommen, die Entscheidungen treffen, auf die man sich verlässt, wenn es um
politische Maßnahmen geht.«
    »Und der Rest des Clubs?«
    »Industrielle, Unternehmer, die Teebekanntschaften der
Wonnegut, die sich genauso langweilen wie sie, ein paar reiche Erben. Von jeder
Partei vermutlich genau ein Vertreter. Professoren, Honorarprofessoren und jede
Menge Ärzte.«
    »Immerhin sorgen diese Leute dafür, dass in Heidelberg demnächst
die Götterdämmerung gespielt werden kann.«
    »Um Gottes willen! Wenn das passiert, suche ich mir einen
anderen Job.«
    »Mögen Sie keinen Wagner?«
    »Doch. Manchmal schon. Aber aus musikalischen Gründen, nicht
aus gesellschaftlichen. Für Leute wie die Wonnegut ist das Projekt doch bloß
eine Art Monarchie-Ersatz, der verklärte Blick zurück ins 19. Jahrhundert,
Neuschwanstein in der Kurpfalz.«
    »Monarchie-Ersatz?«
    »Überlegen Sie mal: der Ring vor der eigenen Haustür.
Was soll das? So verstiegen können nur Typen mit zu viel Kohle sein. Die Stadt
hat dieses Geld jedenfalls nicht, und an ihr werden die laufenden Kosten hängen
bleiben, wenn sich das Festspielhaus der Wonnegut nicht rechnet. Was dann? Ganz
einfach, man kürzt den Etat der Städtischen Bühnen. Also der Institution, die
einen lebendigen, breit gefächerten Spielplan bietet, die den Interessen des
gesamten Publikums dient und nicht nur der Profilneurose einer betuchten
Clique. Hier streichen, beim neuen Haus reinbuttern – so liefe es am Ende, das
kann ich Ihnen versichern. Ich rede zu viel«, fügte sie ansatzlos hinzu. »Ich
rede zu viel, und Sie fragen nicht das, was Sie eigentlich fragen wollen.«
    »Oh, ich bin ganz Ohr.«
    »Ich rede zu viel«, wiederholte sie seufzend. Sie streifte
ihre Schuhe ab, zog mit nylonbestrumpften Zehen einen Schemel heran und legte
die Füße darauf.
    »Ich weiß nicht recht, wie ich fragen soll«, sagte ich.
»Nicht einmal die Richtung ist mir klar. Sehen Sie, ich mache mir Gedanken,
warum jemand wie ich von einem Mitglied des Freundeskreises beauftragt wird, in
einem Mordfall am Theater zu ermitteln. Sicher, man will informiert sein, man
will frühzeitig reagieren können, falls nötig. Das verstehe ich. Aber
vielleicht gibt es noch andere Gründe. Vielleicht laufen innerhalb des Vereins
Dinge, die nicht an die Öffentlichkeit dringen sollen. Vielleicht gibt es da
Geheimnisse, Absprachen, Schiebereien. Fest steht, ein Vereinsmitglied ist tot
und ein anderes in Haft. Und um Geld geht es ja beim Freundeskreis, wie Sie mir
bestätigt haben, um Geld, Einfluss und Macht.«
    Dagmar Schulz schwieg eine ganze Weile. Sie baute weiter an
dem Turm aus Kippenresten im Aschenbecher, zündete sich eine neue Zigarette an,
entdeckte eine Ecke hoch oben im Zimmer, in die noch keine Rauchschwaden
gezogen waren, peilte sie an, entließ eine Wolke aus ihrer Lunge, schwieg. Dann
wandte sie mir ihr Gesicht zu und sagte: »Der Verein fungiert als
Geldwaschanlage.«
    »Als was?«
    »Als Geldwaschanlage. Soll ichs Ihnen erklären?«
    »Das wäre wohl das Beste.«
    Sie nickte. »Haben Sie heute Abend schon was vor? Wir könnten
zusammen ausgehen, und ich erzähle Ihnen, wie das System Wonnegut funktioniert.
Ich hatte schon länger keinen Mann mehr über Nacht bei mir.«
    ›Tut mir leid, ich bin

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