Schlussakt
schon mit Cordula verabredet‹, hätte
ich gerne geantwortet. Aber das stimmte ja dreimal nicht. Vielleicht: ›Danke,
ich hab nur die eine Lunge‹? Lieber eine intakte Ehe vortäuschen.
»Heute Abend«, sagte ich, ohne die Kiefer so recht
auseinander zu bekommen, »also heute Abend wollte ich eigentlich mit meiner
Frau in die Oper. Da passt es jetzt eher nicht.« Meine Fresse, klang das
dämlich.
»War nur eine Idee«, sagte sie unbeeindruckt. »Ich erzähle es
Ihnen auch so.«
Ich nickte. Irgendwie stand mir plötzlich Schweiß auf der
Stirn.
»Also«, begann sie. »Der Club funktioniert deshalb so gut,
weil ein paar Dutzend vermögende Bürger immer wieder Geld hineinpumpen. Mehr
Geld, als man denkt. Davon werden Solisten bezahlt, Aushilfskräfte, Sänger. Ab
und zu sponsert man einen neuen Flügel, ein aufwendiges Bühnenbild, nehmen Sie,
was Sie wollen. So. Das alles sind Spenden, und weil der Verein als
gemeinnützig anerkannt ist, können die Herren Chefärzte und Bankdirektoren
dieses Geld steuerlich absetzen. Nur dass da hin und wieder gemauschelt wird.
Vor allem, wenn es um höhere Beträge geht.«
»Wie hoch?«
»Um fünfstellige Summen in der Regel. Alles in allem dürfte
pro Jahr ein Milliönchen zusammenkommen. Vielleicht weniger, vielleicht aber
auch mehr. Klassische Musik kostet. Hohe Kunst, hohe Preise, da dürfen Sie
nicht knausern. Angenommen, ein russischer Wunderpianist von 18 Jahren soll
hier im Theatersaal auftreten, Frau von Wonnegut verhandelt mit der Agentur,
man einigt sich auf 10.000 Euro. Mündlich. Im Vertrag werden aber 20.000 Euro
stehen, ebenso im Kassenbericht des Vereins. Obwohl die Mitglieder nur 10.000
aufbringen müssen, können sie 20.000 absetzen. Wobei ein kleiner Prozentsatz
der Gesamtsumme natürlich in der Kasse des Vereins bleibt. Schweigegeld
sozusagen.«
»20.000 Euro für einen Nachwuchspianisten?«
»Na und? Hebt doch das Selbstwertgefühl aller, wenn man sich
so einen Luxus leisten kann.«
»Aber er, der Künstler, hat die 20.000 in seinem Vertrag
stehen, also auch die steuerlichen Nachteile.«
»Richtig. Er ist der Gelackmeierte. Andererseits wird er
einen solchen Handel nur eingehen, solange in der Summe auch etwas für ihn
herausspringt. Falls er einen Agenten hat, der rechnen kann. Deshalb
funktioniert der Deal auch am besten mit Osteuropäern oder Asiaten, auf die das
hiesige Finanzamt keinen Zugriff hat.«
»Das heißt, Vereinsmitglieder schlagen zwei Fliegen mit einer
Klappe: Sie schmücken sich mit hehrer Kunst, und sie waschen das Geld, von dem
sie zu viel haben.«
»Zu wenig.«
»Oder zu wenig, je nachdem. Aber welche Summen werden da
verschoben? Das kann doch nicht allzu viel sein. Ein paar Konzerte im Jahr, mal
ein neuer Flügel …«
»Es hält sich in Grenzen,
sicher. Aber wenn einmal im Jahr eine Staatsoper aus dem Osten für ein
Gastspiel eingekauft wird, ist die 100.000-Euro-Grenze schnell überschritten.
Und stellen Sie sich vor, das legendäre Wagner-Projekt wird realisiert. Dann
ist plötzlich alles möglich. Dann potenzieren sich die Beträge.«
»Ein schöner Nebeneffekt.«
»Sie sagen es.« Dagmar Schulz knüllte die leere
Zigarettenschachtel zusammen und warf sie in einen Papierkorb. »Natürlich kann
eine Einzelperson so keine Millionen waschen. Profitabel wie ein
Liechtensteiner Bankkonto ist die Mitgliedschaft dann doch nicht. Genießt aber
wesentlich höheren sozialen Profit. Nach 20 Jahren sind Sie reif für eine
Ehrenbürgermedaille.«
»Oder für einen Straßennamen im Pfaffengrund.«
»Genau. Die ideale Kombination ist wahrscheinlich das
Engagement im Verein plus ein Liechtensteiner Bankkonto. Da kann Ihnen
finanziell nicht mehr viel passieren.«
Ich kratzte mich nachdenklich am Kinn. »Das schreit ja
geradezu nach einigen Fragen.«
»Nur zu.«
»Wenn Sie das wissen – warum weiß es dann nicht die
Öffentlichkeit?«
»Die was?«
»Na, ich und meine Mitbürger, die Medien, die Politik.«
»Vergessen Sies. Öffentlichkeit gibt es nicht. Öffentlichkeit
wird gemacht. Die wohlunterrichteten Kreise Heidelbergs wissen natürlich
Bescheid, aber sie halten still, weil sie am meisten davon profitieren. Wer von
den Gemeinderatsfraktionen dem Verein nicht selbst angehört, muss auf seine
Parteifreunde Rücksicht nehmen. Als Einzelner gegen das System vorzugehen, ist
Harakiri. Kultur genießt Artenschutz. Es müsste sich schon eine große Koalition
von Staatsanwälten,
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