Schlussakt
Politikern und Vereinsmitgliedern, die auspacken wollen,
zusammenfinden, und das ist ebenso utopisch wie uneffektiv. Ein solcher Aufwand
lohnt sich einfach nicht – nicht angesichts der überschaubaren Summen, die auf
viele Köpfe verteilt werden. Und weisen Sie Geldwäsche erst einmal nach.«
»Am Ende profitieren alle davon.«
»Na, sicher. Alle. Bis auf uns Heinis, die nicht immer bloß
die teuren Stars einladen und die abgedroschenen Opern spielen wollen. Nichts
gegen Wagner, wie gesagt, aber es gibt auch andere kulturell wertvolle
Projekte, die niemand unterstützt, weil sie wenig Außenwirkung haben, weil sie
sperrig und kritisch sind.«
»Aber Sie halten auch still.«
»Klar halte ich still. Ich habe doch keine Beweise. Keine
Unterlagen, nichts. Und selbst wenn: Ich würde trotzdem schweigen. Wer würde
mich wohl unterstützen? Meine lieben Kollegen hier? Die Politik? Nicht so viel.Ich habe keine Lust, als Nestbeschmutzerin
dazustehen.«
»Denkt Bernd Nagel genauso?«
»Ach, der liebe Bernd … Für die Wonnegut ist er eine Art
Maskottchen. Der immer freundliche Grüßaugust, auf den die Sponsoren stehen.
Vor allem die Sponsorengattinnen.«
»Sie eher nicht.«
»Oh, ich habe ein ganz gutes Verhältnis zu Bernd. Besser, als
es jetzt klingt. Wir machen beide unseren Job, und den ordentlich. Dass er sich
von der Alten missbrauchen lässt, ist seine Sache. Ich habe es ihm gesagt, und
er weiß es. Will halt weiterkommen, der Junge.«
»Und Barth-Hufelang? Wie kamen Sie mit ihm aus?«
Sie zuckte die Achseln. »Professionell. Ab und zu rasselten
wir zusammen, dann lief der Laden wieder. Solche Typen bereiten mir keine
schlaflosen Nächte. Ich arbeite mit ihnen, ich gehe nicht mit ihnen ins Bett.«
Schon klar, dachte ich und wich ihrem Blick aus. Hinter den
Rauchschwaden, die das Zimmer eingehüllt hatten, war das Poster mit der
verkrebsten Lunge kaum noch zu sehen.
»In welche Oper wollten Sie eigentlich?«, fragte Dagmar
Schulz beim Hinausgehen. »Heute findet gar keine Vorstellung statt.«
»Nein? Vielleicht morgen?«
»Morgen Abend läuft der Figaro .«
»Richtig, das wars.«
»Haben Sie schon Karten? Ich kann Ihnen welche besorgen.«
»Ach, nicht nötig.«
»Zwei, ja?«
Ich nickte ergeben und folgte der Rothaarigen ins Sekretariat
des GMD.
»Frau Schröder, würden Sie bitte zwei Freikarten für Herrn
Koller und Gemahlin an der Kasse in Auftrag geben? Figaros Hochzeit ,
morgen Abend. Tschüs, Herr Koller. Und viel Erfolg.«
»Vielen Dank für alles.«
»Keine Ursache.« Immer noch auf Strümpfen, verließ sie das
Sekretariat. »Danke, Frau Schröder!«, hallte ihre heisere Stimme durch den
Flur.
»Dem schließe ich mich an«, sagte ich und zauberte mein
gewinnendstes Lächeln auf die Ermittlerlippen. »Der Kaffee war hervorragend.«
»So?« Die Sekretärin warf mir einen strengen Blick über den
Rand ihrer Lesebrille zu.
»Wirklich.«
»Ich finde es schade, wenn Kaffee nach Nikotin schmeckt.«
»Da haben Sie auch wieder recht.«
»Und das in einem Gebäude, wo Rauchen verboten ist.« Sie
begann, an ihrem PC herumzuhantieren. »Zwei Karten für morgen? Auf den Namen
Koller? Wie Dagmar?«
»Wieso Dagmar?«
»Dagmar Koller. Oder wie René Kollo?«
»Lieber Dagmar. Einen René haben wir nicht in unserer
Familie.«
»Ist verbucht. Sie können sie unten an der Kasse abholen.«
»Sagen Sie, Frau Schröder, dürfte ich einen oder zwei Anrufe
von hier tätigen? Bloß Ortsgespräche. Mein Handy hat keinen Saft mehr.«
»Bitte schön.« Sie schob mir ihr Telefon hin. »Ich gehe dann
mal die Tassen spülen. Bevor man den Gestank gar nicht mehr rausbekommt.«
Würdevoll verließ sie das Zimmer.
Ich stellte mich grinsend an den Schreibtisch und wählte die
Nummer von Woll. Immer noch keine Antwort. Dann rief ich Kommissar Fischer an.
Und während ich mit ihm sprach, kam mir die Idee mit den
Schlüsseln.
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20
Der Schlüsseltausch bot sich einfach an. Nicht
nur wegen des kleinen Vorsprungs, den er mir gegenüber der Polizei verschaffte.
Es war auch eine Art Strafe für die Leute vom Theater, die mich so lange auf
Dagmar Schulz hatten warten lassen.
»Kriegsrat!«, hatte die Sekretärin des Intendanten gezischt
und eine wichtige Miene gezogen, als ich nach der Konzertdramaturgin gefragt
hatte.
Anschließend hatte sie mir einen Stuhl auf dem Flur
angewiesen. Es war ein
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