Schlussakt
und stieg seitlich über den
Kopf. Dann fluchte ich.
Auf dem Boden lag mein Freund Marc Covet.
Ich untersuchte ihn schnell. Im Haus blieb es totenstill.
Marcs Herzschlag ging ruhig und gleichmäßig, außer der Wunde am Kopf schien er
nichts abbekommen zu haben.
»Idiot«, murmelte ich. »Wie kommst du dazu, mich so zu
erschrecken?«
Covet rührte sich nicht. Jemand hatte ihm eins über den
Schädel gezogen und ihn dann an Ort und Stelle liegen la ssen. Ob dieser Jemand noch im Haus war?
Rasch verschaffte ich mir
Sicherheit. Durchsuchte die Wohnung, schaute in jeden Raum, hinter Türen und in
Schränke. Keine Menschenseele. In Nagels Bad hielt ich einen Waschlappen unter
das kalte Wasser, um damit Covets Wunde auszuwaschen. Mehr als ein leidvolles
Stöhnen erntete ich nicht für meine Samariterdienste.
»So, und jetzt hoch mit
dir«, fordert e ich ihn auf.
Aber das war leichter gesagt als getan. Marc ist größer als
ich, wiegt mindestens 80 Kilo und leistete Widerstand durch Nichtstun. Ich
bekam ihn so weit, dass er mit dem Oberkörper an der Tür lehnte. Seine Arme
hingen schlaff herab, der Kopf fiel auf die Brust, der Mund stand ein wenig
offen. Wenn ihn Cordula so gesehen hätte! Erst recht, als ich ihm mit dem
blutgetränkten Lappen übers Gesicht fuhr und hellrote Striemen zurückblieben.
Ich musste kichern, und davon wurde er munter.
Wobei munter zu viel gesagt ist. Seine Bewegungen blieben auf
ein Minimum beschränkt: Die Lippen schlossen sich, dafür klappten die Augen
auf, eine Braue zuckte – so ging es voran mit ihm. Der Golem erwachte zum
Leben. Dort, wo sein Kopf gelegen hatte, glänzte eine kleine Blutlache.
»Na, wieder auf Deck, alter Junge?«
Sein Blick suchte mich. Kein Zeichen des Wiedererkennens,
schon gar keines des Staunens. Die Fische der Urzeit hatten bei ihrer
Verwandlung in Amphibien weniger lange gebraucht als Marc Covets Geist bei der
Rückkehr in den Klingelhüttenweg. Und ob sie dabei gestöhnt hatten, weiß ich
nicht. Marc jedenfalls stöhnte. Er seufzte und ächzte, was der geschundene Leib
hergab, fuhr mit zittriger Hand Richtung Hinterkopf. Zu anstrengend.
»Ja, da tut es weh. Hier, nimm den Waschlappen.« Ich ging ins
Bad, hielt einen zweiten unters Wasser und wischte ihm noch einmal übers
Gesicht.
»Mir ist schlecht«, murmelte Marc.
Na also, das wurde schon wieder. Er drückte sich den Lappen auf
die Augen, verzog das Gesicht und betastete seinen Schädel. Ich ließ ihn sitzen
und schritt zur Besichtigung von Nagels Wohnung. Was auch immer Covet hier
gewollt hatte – sobald er wieder auf den Beinen war, würde er es nicht
gutheißen, dass ich in den Sachen seines Kumpels herumwühlte.
Ein großes, helles Wohnzimmer. Auf nacktem Steinfußboden ein
lackierter Schrank, ein langer, schwarzer Schreibtisch, blaue
Lautsprecherboxen, mehrere Kunstledersessel, ein Breitwandfernseher. Linker
Hand ein ungerahmtes Bild, das zerlaufenen Käse oder eine überfahrene Kröte
darstellte oder eine Collage aus beidem. Auf dem Schreibtisch ein Stapel von
Zeitungen. Ansonsten viel, viel Platz und freie Sicht auf die Wände. Nagel
schien Regale nicht zu mögen. Er schien überhaupt Krimskrams nicht zu mögen,
der einem die Zimmer zumüllte. Oder er hasste es aufzuräumen. Also besser kein
Kleinzeug im Wohnzimmer. Lieber Kubikmeter an Kubikmeter leerer Raum, nur hin
und wieder unterbrochen von einem handverlesenen Möbelstück.
Vorsichtig zog ich die Schreibtischschubladen auf, schaute
kurz hinein. Nichts, was mir auf den ersten Blick interessant erschien. Ein
paar Unterlagen, Zeitungsausschnitte, Kritiken. Seinen eigentlichen
Arbeitsplatz hatte sich Nagel im Nebenraum eingerichtet; hier stand ein
weiterer Schreibtisch, deutlich älter als der andere, und auf ihm der Laptop,
den Fischers Leute untersucht hatten. Weil Nagel im Wohnzimmer auf Regale
verzichtet hatte, platzten die wenigen nebenan aus allen Nähten. Der Raum war
schmal und im Vergleich zum bisher Gesehenen eher sorglos eingerichtet; etwas
Grünzeug schaute traurig nach draußen, ein Poster war mit Reißzwecken neben die
Durchgangstür gepinnt. Bestimmt schloss Nagel diese Tür, wenn Gäste sein
Wohnzimmer betraten.
Oder doch nicht? Für den einen oder anderen Gast war gerade
dieses Poster ein Hingucker. Es zeigte eine Reihe griechischer Vasen mit
charmanter Bemalung: Männlein und Weiblein präsentierten einander ihre
geschlechtlichen Vorzüge, auch der Satyr mit
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