Schlussakt
einen Moment, um die Haustür mit einem Ruck aufzureißen.
Wir schauten uns an, einer überraschter als der andere.
»Sie?«, sagte der Mann, und in seiner Miene mischten sich
Grimm und Enttäuschung.
»Ich«, sagte ich und lachte los. Dieser Idiot von Kampfhund
hielt doch tatsächlich eine Pistole in der Hand!
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
22
»Aber, Herr Sorgwitz«, begrüßte ich unseren
Gast. »Wollen Sie hier auf Großwildjagd gehen?«
»Was machen Sie in Nagels Haus?«, knurrte er.
»Ich? Nichts. Ich habe bloß einen Freund hierher begleitet.«
»Welchen Freund?«
»Gestatten, Marc Covet«, antwortete ich und zeigte mit dem
Daumen über meine Schulter. Marc grüßte schwach grinsend aus dem Hintergrund.
Fischers Assistent wäre gerne ein paar Schritte herangekommen, aber ich stand
breitbeinig im Hauseingang und rührte mich keinen Zentimeter. Immer noch hielt
er seine Pistole auf mich gerichtet.
»Sie dürfen das Ding jetzt
einstecken«, sagte ich und zeigte auf die Waffe. Er tat es, langsam und ungern.
»Und was will Ihr Freund hier?«, fragte Sorgwitz. Sein
Misstrauen reichte bis in die Haarspitzen seines blonden Igelschopfes.
»Nichts Besonderes. Bernd Nagel ist ein guter Freund von
Herrn Covet und hat ihn gebeten, hier ein wenig nach dem Rechten zu schauen.«
»Nach dem Rechten?«
»Genau. Nach der Post. Nach den Blumen. Nach der Milch im
Kühlschrank, die verdirbt. Das verstehen Sie doch.« Ich lächelte. »Und Sie,
wenn ich fragen darf? Was führt Sie nach Schlierbach?«
»Das erkläre ich Ihnen, wenn Sie mich hineinlassen. Oder soll
ich noch länger in der Kälte warten?«
»Zeigen Sie mir Ihren Durchsuchungsbeschluss, und das Haus
steht Ihnen offen.«
»Ich habe keinen«, schnaubte er. »Ich habe keinen, und das
wissen Sie, Koller. Aber ich weiß nicht, ob Sie rechtmäßig hier sind. Wenn Herr
Nagel nicht informiert ist …«
»Ganz langsam, Herr Sorgwitz, ganz langsam. Herr Covet hat
von Herrn Nagel einen Haustürschlüssel bekommen, das ging alles mit rechten
Dingen und streng nach Gesetz und Ordnung zu.«
Der Blonde mahlte mit den Zähnen. »Gut«, sagte er schließlich
und kam auf mich zu. »Dann will ich jetzt Ihre Ausweise sehen. Streng nach
Gesetz und Ordnung.« Er schob mich zur Seite und trat ein.
»Das ist Hausfriedensbruch. Vor zwei Zeugen.«
»Das ist eine Ausweiskontrolle. Und die findet nicht auf der
Straße statt. Her mit den Lappen.«
Schweigend spielten wir das Spielchen mit. In der dämmrigen
Diele konnte er die Namen auf unseren Personalausweisen kaum lesen, aber darum
ging es auch nicht. Ein flüchtiger Blick, dann gab er sie uns zurück. Marc
drückte sich mit bleichem Gesicht gegen die Wand. Solange er dort stehen blieb,
war seine Wunde vor Entdeckungen geschützt.
»So, so«, begann Sorgwitz und ließ seine Finger knacken,
»dann schauen Sie beide also nach der Post. Das ist ja wirklich sehr freundlich
von Ihnen. Und gleich zu zweit.«
»Bei mir ist es die pure Neugier«, sagte ich. »Schon von
Berufs wegen. Mich interessiert, wie so ein Mörder lebt, wie er sein Wohnzimmer
eingerichtet hat, welchen Kaffee er trinkt, ob er lindgrüne Tapeten bevorzugt
oder rote Servietten, ob er …«
»Nun halten Sie mal die Luft an«, unterbrach mich Sorgwitz.
»Wenn Sie von einem Freund Nagels mit hierher genommen wurden, sind Sie aus dem
Schneider. Das gibt Ihnen aber noch lange nicht das Recht, hier
herumzuschnüffeln, klar?«
»Schnüffeln? Sie kommen auf Ideen!«
»Spätestens morgen nehmen wir das Haus auseinander. Bis dahin
wäre es für Sie beide das Beste, sich hier nicht mehr blicken zu lassen. Es
macht keinen guten Eindruck, in einer Wohnung herumzulungern, die von
polizeilichem Interesse ist.«
Irrte ich mich, oder waren meinem blonden Freund da ein paar
sächsische Kehllaute durchgerutscht? ›Von bollezeilichem Inderässe‹! Ja, das
wars. Kamerad Sorgwitz stammte aus dem Osten Deutschlands. Nichts gegen
schneidige Auftritte, aber ich finde, Leute seiner Herkunft sollten keine
bodenlangen Ledermäntel tragen.
»Wir danken für den guten Rat«, sagte ich. »Heben wir also
die Tafel auf.«
»Schon? Was spricht gegen eine kleine Hausbegehung?«, schlug
Sorgwitz vor, kalt lächelnd wie ein Schlagbaum. Er machte ein paar Schritte
Richtung Wohnzimmer, und in diesem Moment verstand ich, warum Covet so bleich
war. Der Polizist hatte die ganze Zeit in der kleinen
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