Schlussakt
innen geschlossen worden. Auf den Fliesen hatte der
Unbekannte mit seinen nassen Schuhen sichtbare Spuren hinterlassen, aber schon
in der Diele war nichts mehr von ihnen zu sehen. Mir ging der Revolver aus dem
Schlafzimmer nicht aus dem Kopf. Vielleicht hatte Nagel mit einem solchen
Einbrecher gerechnet, vielleicht sogar mit genau jenem Einbrecher. Gut möglich,
dass es in diesem Haus etwas Wertvolles gab, etwas, wovon nur wenige wussten.
Oder es ging um Bernd Nagel selbst, um eine Angelegenheit zwischen ihm und
einem Unbekannten.
»Ist er hier rein?«, fragte Covet von der Tür her. Seiner
aufrechten Haltung nach zu urteilen, hatte die Dusche Wunder gewirkt. Mit einem
Handtuch trocknete er sich die nassen Haare.
»Ja, und zwar vor nicht allzu langer Zeit. Siehst du hier die
kleinen Schneeklumpen, die noch nicht geschmolzen sind? Er wird etwas gesucht
haben. Hat Nagel Wertsachen im Haus?«
Covet schüttelte den Kopf. »Nicht dass ich wüsste. Geld
natürlich, aber bestimmt keine Mengen. Irgendwo hängt ein Bild, das
einigermaßen teuer war.«
»Der Camembert?«
»Welcher Camembert?«
»Egal. Außerdem hängt der noch. Gibt es hier einen Safe?«
Covet nickte und führte mich ins Wohnzimmer. »Hier, hinter
dem Bild. Meintest du das mit Camembert?«
»Jetzt ist es wieder Kröte auf Mittelstreifen.« Ich hängte
die Leinwand ab und stellte sie auf den Boden. Ein Safe von beachtlicher Größe
kam zum Vorschein. In seine Tür waren ein Display und eine Tastatur
eingelassen, sonst nichts. Kein Zahlenschloss, kein Griff.
»Öffnen kann ich den nicht«, sagte Covet. »Das würde Bernd
auch nicht wollen.«
»Wir könnten ohnehin nicht sagen, ob etwas entfernt wurde.«
Ich hängte das Bild an seinen Platz zurück.
»Wie sieht es in den übrigen Räumen aus?«, fragte Covet.
»Wurde dort etwas gesucht?«
»Es sieht nicht danach aus. Möglicherweise wusste der
Unbekannte, wo er zu suchen hatte. Wahrscheinlicher ist, dass du ihn
rechtzeitig gestört hast. Lass mich noch mal im Arbeitszimmer nachsehen.« Ich
ging nach nebenan, pfiff vor mich hin, spitzte die Ohren und wartete. Covet tat
mir den Gefallen und blieb im Wohnzimmer. Das Pfeifen galt ihm. Er sollte sich
unbeobachtet fühlen.
Ich hörte leise Schritte auf dem Steinboden und das
vorsichtige Öffnen einer Schublade. Papierrascheln … die Schublade wurde
geschlossen … Stille. Wars das? Pfeifend kehrte ich zu Marc zurück. Er lehnte
neben dem Bild an der Wand, Lichtjahre vom Schreibtisch entfernt.
»Und?«, fragte er. Eine Unschuldsmiene wie aus einem
schwedischen Kinderbuch.
»Nichts. Absolut nichts.«
»Gut.«
»Na, dann …«
»Was meinst du, sollen wir den Einbruch melden?«
Ich zuckte die Achseln. »Was soll man nicht alles im Leben?
Und dann tut man es doch nicht. So würde ich auch mit dem Einbruch verfahren.
Lass der Polizei noch ein bisschen Arbeit.«
»Da hast du recht.« Er nickte erleichtert und tastete nach
der Wunde an seinem Hinterkopf. »Weißt du, Max, ich bin froh, wenn das Ganze
hier vorbei ist. Egal, wie es ausgeht.«
Ich blickte ihn nachdenklich an und schwieg.
»Gehen wir?«, fragte er.
»Gehen wir.«
Wir waren uns also einig. Aber erstens kommt es anders, und
zweitens hätte ich mich an mein letztes unrechtmäßiges Eindringen in eine
fremde Wohnung erinnern sollen. Auch da hatte mich die Türklingel zu Eis
erstarren lassen. An solche Dinge gewöhnt man sich einfach nicht.
Wir hatten gerade einen Fuß in die Diele gesetzt, als es
läutete.
Beide hielten wir die Luft an. Wer konnte das sein? Wer
wollte jetzt, um halb eins, etwas von einem Mordverdächtigen, der sich im Knast
befand? Der Briefträger? Ein Nachbar? Der verschwundene Woll?
»Mach nicht auf«, flüsterte mir Marc ins Ohr. Kaum hatte er
eine Beule am Hinterkopf, fürchtete er sich vor Fremden.
Ich schwieg und dachte an die Spuren im Schnee, an mein
Fahrrad, an unsere Silhouetten, die von außen zu sehen waren. Vielleicht hatten
wir Glück, und es war wirklich nur die Post.
Kein Glück. Keine Post.
Das nächste Klingeln dauerte doppelt so lange, und es wurde von einem
entschiedenen Kommando begleitet: »Machen Sie auf! Polizei!«
Covet bekam Schluckauf vor Panik.
»Keine Sorge«, sagte ich. »Wir haben nichts zu verbergen,
überhaupt nichts. Außer deiner Verletzung. Die darfst du nicht zeigen.
Ansonsten lass mich reden, okay?«
Covet nickte und hielt sich am Türpfosten fest. Ich schritt
zum Eingang, zögerte
Weitere Kostenlose Bücher