Schlussblende
besser gehabt, wenn sie bei Jacko geblieben wäre, zumal sie dann nicht in einem Nest wie Wellingborough versauert wäre, wo der abendliche Bummel durchs Einkaufszentrum schon als hart an der Grenze zur Ausschweifung galt. Ein Wunder, daß Carol Jordan Jillie überhaupt so schnell in diesem gottverlassenen Winkel aufgespürt hatte.
Er blieb auf der gegenüberliegenden Seite der schmalen Straße im Wagen sitzen, um sich das Haus, das Jillie und Jeff Lewis gehörte, erst mal anzusehen. Ausgesprochen schmuck mit dem kurz getrimmten Rasen, den schnurgerade gezogenen Blumenrabatten und dem Metro in der Zufahrt, das Modell vom letzten Jahr.
Ihm war klar, daß er heute eine besonders harte Nuß zu knacken hatte. Er hatte keine konkreten Vorstellungen, was er Jillie fragen sollte, aber soviel stand für ihn fest: Wenn sie etwas wußte, womit sie Jacko Vance festnageln konnten, dann würde er’s aus ihr rausholen. Und nachdem er sich so Mut gemacht hatte, stieg er aus, zog das Jackett seines Marks-und-Spencer-Anzugs an, rückte die Krawatte zurecht, straffte die Schultern und ging auf den Bungalow zu.
Sekunden nachdem er geklingelt hatte, wurde die Haustür einen Spalt weit aufgezogen, bis zum Anschlag der Sperrkette, bei der ein kräftiger Stoß mit der Schulter genügt hätte, um sie aufzusprengen. Im ersten Moment fragte er sich, ob das Gesicht, das im Türspalt auftauchte, vielleicht das der Putzfrau wäre, weil es den alten Zeitungsfotos von Jillie Woodrow absolut nicht ähnlich sah. Blondes, zu einem Pagenkopf geschnittenes Haar, statt des dunklen Pferdeschwanzes, auf den er gefaßt war. Und von dem Babyspeck, den er von den Zeitungsfotos kannte, war auch nichts mehr zu sehen. Die Frau hinter der Tür war so hager, daß er sich, wäre er ihr Mann gewesen, Sorgen gemacht hätte, ob sie womöglich an Magersucht litte. Er war fast bereit zu glauben, daß er sich in der Hausnummer geirrt hätte, als er ihre Augen wiedererkannte. Der Ausdruck kam ihm härter vor, und in den Ecken zeigten sich erste Fältchen, aber es waren ohne jeden Zweifel Jillie Woodrows schmachtende, dunkelblaue Augen. »Mrs. Lewis?« fragte er.
Die Frau nickte. »Und wer sind Sie?«
Er zeigte ihr seinen Dienstausweis, und sie japste erschrocken: »Jeff?«
»Nein, mit Ihrem Mann hat mein Besuch nichts zu tun. Ich gehöre nicht zur hiesigen Polizei, meine Dienststelle ist Strathclyde. Aber ich bin derzeit im Zusammenhang mit speziellen Ermittlungen nach Leeds abkommandiert.«
»Leeds? Da war ich noch nie.«
Simon lächelte. »Seien Sie froh. Ich hab mir in letzter Zeit oft gewünscht, daß es mich nie dorthin verschlagen hätte. Also, Mrs. Lewis, es geht um eine Sache, die viel Fingerspitzengefühl erfordert. Ich glaube, ich könnte es Ihnen drin bei einem Kaffee viel leichter erklären als hier auf der Türschwelle.«
Sie sah ihn unschlüssig an und warf einen Blick auf die Uhr. »Ich muß zur Arbeit«, sagte sie. Ja, das kaufte er ihr ab, die Frage war nur, wann.
»Ich wäre nicht hergekommen, wenn’s nicht wichtig wäre.« Simon legte all den Charme, der ihm schon so oft Türen und Herzen geöffnet hatte, in sein Lächeln.
»Na, dann kommen Sie mal lieber rein.« Sie löste die Kette, trat einen Schritt zurück, und Simon stand in einer Diele, die aussah wie aus einem Möbelhauskatalog: ebenso makel- wie geschmacklos. Sie führte ihn in eine Küche, in der anscheinend, so wie hier alles blitzte und blinkte, noch nie gekocht worden war, und bedeutete ihm mit einem Wink, am ovalen Ecktisch Platz zu nehmen. Sie ließ Wasser in einen Kessel laufen. »Kaffee, sagten Sie?«
»Bitte.« Simon quetschte sich hinter den Tisch. »Mit Milch, ohne Zucker.«
Jillie nahm eine Dose Instantkaffee und zwei Becher aus dem Hängeschrank. »Ich vermute, es hat was mit Jacko Vance zu tun?«
Simon versuchte, sich die Verblüffung nicht anmerken zu lassen. »Wie kommen Sie darauf?«
Sie drehte sich um, lehnte sich an die Arbeitsplatte, kreuzte die in Jeans steckenden Beine und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was soll’s sonst sein? Jeff ist ein ehrlicher, hart arbeitender Vertreter, ich hab einen Teilzeitjob als Datenbearbeiterin, und Kriminelle kennen wir nicht. Also gibt’s in meinem Leben nur eines, was Sie interessieren kann, und das ist die Tatsache, daß ich mal Jacko Vance’ Freundin war. Und wenn es um spezielle Ermittlungen geht, fällt mir auch nur dieser gottverdammte Kerl ein. Scheint so, als sollte ich seinen beschissenen Schatten
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