Schlussblende
persönliche Worte hinzugefügt, etwas, das eine Brücke zwischen ihnen bauen konnte, aber ihm fiel nichts ein. Er setzte all seine Hoffnung darauf, mit ihrer Hilfe Jacko Vance’ Schutzwall aufzuknacken, und er mußte es nur irgendwie schaffen, sie dahin zu bringen, daß sie ihm, und sei es unbewußt, dabei half.
Micky sagte ihm noch, daß er als letzter kurz vor den Mittagsnachrichten dran wäre und daß Betsy ihn rechtzeitig abholen werde. Dann schloß sich die Tür hinter ihr, nur der Hauch ihres Parfums hing noch in der Garderobe.
Tony wußte, daß er nur heute, nur dieses eine Mal eine Chance bekam, Micky Morgan auf seine Seite zu ziehen, und er hoffte inständig, daß er diese Chance nicht vermasselte.
Hoffentlich lohnt sich’s wenigstens, dachte Vance. Er hatte extra wegen der Sendung den Lunch bei Marco Pierre White abgesagt und ahnte, daß der notorisch beleidigte Küchenchef ihn das beim nächsten Besuch spüren lassen würde. Er schloß von innen ab und ließ die Jalousetten herunter. Seine Sekretärin war angewiesen, keine Anrufe durchzustellen, und weder der Produzent noch Vance’ Agent wußten, daß er noch hier war. Was das heutige
Morgan am Mittag
auch enthüllen mochte, es gab niemanden, der seine Reaktion beobachten konnte.
Er warf sich aufs breite Ledersofa, drückte auf die Fernbedienung, und die Mattscheibe leuchtete rechtzeitig zum Vorspann auf. Er wußte, daß er nichts zu befürchten hatte. Was immer die Bowman zu wissen geglaubt hatte, es war ihr nicht gelungen, ihre Kollegen von der Richtigkeit ihrer Vermutungen zu überzeugen. Die Polizei fraß ihm aus der Hand, daran würde auch dieser weltfremde Psychologe mit seinen halbgaren Theorien nichts ändern. Dennoch, er war bislang immer gut damit gefahren, auf der Hut zu sein, und er hatte nicht die Absicht, seine erfolgreiche Karriere als Wohltäter der Menschheit durch Leichtsinn und Arroganz aufs Spiel zu setzen.
Er hatte sich einige Informationen über Tony Hill verschaffen können, wenn auch nicht so viele, wie er sich gewünscht hätte. Immerhin, was er in Erfahrung gebracht hatte, genügte. Dieser Tony Hill war der Initiator für die Einrichtung der Task Force des Innenministeriums, der auch die Bowman angehört hatte. Er war bei der Jagd auf einen Serienmörder in Bradfield dabeigewesen und hatte sich dabei blutige Hände geholt, da der Bursche eben doch nicht so schlau war, wie er glaubte. Außerdem gab es Gerüchte über sein Sexualleben, über Praktiken, die angeblich dicht an der Grenze zur Perversität waren. Leider hatte Vance nicht genauer nachfragen können, sonst wäre sein Informant womöglich mißtrauisch geworden.
Sosehr ihn dieser Psychologe faszinierte, sein Hauptinteresse galt trotzdem Mickys Sendung. Er war vernarrt in das Medium Fernsehen, besonders in Live-Sendungen mit all ihren unwägbaren Risiken. In Vance’ Hinterkopf rotierte zwar bereits die Überlegung, wie er diesen Dr. Hill, falls das nötig wurde, neutralisieren könnte, aber das beschäftigte ihn nicht so sehr, daß es ihn von Micky ablenken konnte. Sie war eine der besten. Und eine Frau, bei der es ein unschätzbarer Vorteil war, wenn man sie auf seiner Seite hatte.
Micky war von Anfang an gut gewesen, aber durch Betsys Einfluß ohne Zweifel noch besser geworden. Betsy hatte ihr beigebracht, wie man vor laufender Kamera Gesprächspartner mit scheinbar harmlosen Fragen in die Enge treibt. Die meisten von Mickys Opfern merkten erst hinterher, wie sie sie auseinandergenommen hatte. Und so war Vance zuversichtlich, daß Micky diesen Tony Hill, wenn es bei ihm irgendwelche wunden Punkte gab, heute gehörig in die Mangel nehmen würde.
Merkwürdig, dachte er, während er eine für seinen Geschmack viel zu dramatisch vorgetragene Reportage aus den Midlands verfolgte, daß ich für meine Frau nie auch nur das geringste sexuelle Begehren verspürt habe. Micky war nicht sein Typ, aber es war doch seltsam, daß sich bei ihm gar nichts regte, nicht mal bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen er sie zufällig nackt sah. Andererseits, so wie sie sich in ihrer Beziehung arrangiert hatten, war das vielleicht ganz gut. Er war nicht darauf aus, eine Frau kennenzulernen, die seinen Vorstellungen von einer idealen Sexpartnerin entsprach. Das hätte zwischen Micky und ihm zuviel kaputtmachen können, und das konnte und wollte er sich nicht leisten, schon gar nicht jetzt.
»Und nach der Pause«, sagte Micky mit dem unter die Haut gehenden Timbre in der
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