Schlussblende
fünf Minuten, um einzusteigen. Und danach noch einmal sieben Minuten, bis seine Standardzündvorrichtung zu glimmen anfing. Der Zigarettenrauch stieg auf, das süßliche Tabakaroma vermischte sich mit dem beißenden Farbgeruch, der im Fabrikgebäude hing. Die Halbfertigprodukte und Farbeimer würden brennen wie Zunder, dachte er mit Stolz und Genugtuung, während er sich, den Blick auf den glimmenden Zünder gerichtet, langsam rückwärts durch den dunklen Flur absetzte.
Er tastete mit der nach hinten gereckten Hand nach der offenen Bürotür, durch die er gekommen war. Aber seine Finger ertasteten statt des leeren Türrahmens ein Stück körperwarmes Tuch. Er wirbelte erschrocken herum. Der grelle Lichtstrahl einer Taschenlampe blendete ihn. Er taumelte rückwärts, verlor die Orientierung und prallte gegen die Wand. Das Licht bewegte sich auf ihn zu, die Tür fiel klickend ins Schloß.
»Hab ich dich endlich«, sagte eine Frauenstimme. »Alan Brinkley, ich verhafte Sie wegen des Verdachts der Brandstiftung …«
»Nein!« brüllte er wie ein in die Enge getriebenes Tier und warf sich mit voller Wucht gegen das Licht. Sein Körper und der der Frau prallten aufeinander und fielen ineinander verschlungen zu Boden. Sie wand und wehrte sich wie eine wilde Katze unter ihm, aber er war schwerer und stärker, und seine Oberkörpermuskulatur war durch die jahrelange Arbeit als Feuerwehrmann besser durchtrainiert.
Sie wollte mit der Taschenlampe auf ihn einschlagen, aber er fing den Hieb mit der Schulter ab. Die Taschenlampe fiel zu Boden, rollte seitwärts weg, blieb vor einem Aktenschrank liegen und warf schwankendes Licht in ihre Richtung. Er konnte ihr Gesicht sehen. Sie riß, vor Anstrengung bizarr verzerrt, den Mund weit auf, als sie versuchte, sich von ihm zu befreien.
Wenn ich sie sehen kann, fing es in seinem Gehirn zu hämmern an, kann sie mich ebenfalls sehen. Und wenn er geschnappt wurde, war alles aus. Dann konnte er die Schulden nie mehr zurückzahlen. Und das würde Maureen ihm nie verzeihen.
Er hob das Knie an, schob es über ihren Unterleib und drückte zu, um ihr die Luft aus den Lungen zu pressen. Den Unterarm quer über ihre Kehle gelegt, nagelte er sie auf dem Boden fest. Als sie mit aufgerissenem Mund, die Zunge nach vorn gereckt, zu hecheln begann und verzweifelt nach Luft rang, faßte er ihr mit der linken Hand ins Haar, riß ihren Kopf hoch und drückte ihren Hals ruckartig gegen seinen Unterarm. Er hörte kein Knacken, er spürte es nur daran, daß ihr Körper plötzlich schlaff wurde. Der Kampf war vorüber.
Brinkley ließ sich nach hinten fallen, lag da, in sich zusammengekrümmt wie ein Fötus, und fing stoßweise zu schluchzen an. O Gott, was habe ich getan? Er kannte die Antwort sehr gut, dennoch rotierte die Frage unablässig in seinem Kopf. Er stemmte sich auf die Knie. Soviel war klar: Er konnte sie nicht so liegenlassen, hier wurde sie zu schnell gefunden. Er mußte sie wegschaffen. Und er wußte auch schon, wohin.
Wimmernd wie ein verwundetes Tier, zwang er sich, sie hochzuheben und sich über die Schulter zu wuchten. Er bildete sich ein, ihr Körper fühle sich bereits kalt und steif an. Mit zitternden Knien schleppte er sie nach hinten, wo sich die Flamme der Lunte nun schon zischend auf die Paletten mit den Farbeimern zufraß. Das Feuer würde hier eine ungeheure Hitze entwickeln, da blieb den Forensikern nicht viel, woraus sie schlau werden konnten. Jedenfalls nichts, was auf ihn schließen ließ.
Er ließ die Leiche fallen, wischte sich die Tränen aus den Augen und rannte hinaus in die wohltuende Kälte der Nacht. Wie hatte es bloß soweit kommen können? Er hatte sich doch nur das eine oder andere leisten und das Leben ein bißchen genießen wollen. Am liebsten hätte er sich irgendwo verkrochen. Aber er mußte los, mußte zum Wagen zurück, damit er den Funkruf nicht verpaßte, der ihn zur Feuerwache rief.
Er würde sich schon irgendwie rauswinden. Maureen zuliebe. Denn wenn er gefaßt wurde, war alles aus und vorbei. Dann konnte er die Schulden nie mehr zurückzahlen, und Maureen würde es ihm nie verzeihen, wenn er sich erwischen ließ.
»Wollten Sie nicht nach Seaford fahren?« fragte er.
»Ich hatte ja mein Handy dabei. Und auf der Autobahn hätte ich nur eine halbe Stunde länger gebraucht als von meinem Cottage. Wir mußten doch erst mal Bilanz ziehen, was wir haben und wie es jetzt weitergehen soll.«
»Na schön, dann kommen Sie rein.«
Carol las Tonys
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