Schlussblende
Laufe ihrer Dienstzeit angewöhnt, Expertenaussagen zu vertrauen. Als Pendlebury auf die seltsame Wölbung in dem schwarzen Aschehaufen deutete, in den Feuer und Wasser die gestapelten Kartons verwandelt hatten, war sie sicher, daß der Chief auch mit seiner Vermutung, wo sie die Leiche finden würden, recht hatte.
»Wann kann die Mordkommission mit der Arbeit beginnen?«
Pendlebury verzog das Gesicht. »Am frühen Vormittag.«
Carol nickte. »Ich veranlasse, daß das Team sich abrufbereit hält.« Sie wandte sich um und murmelte halblaut: »Genau das habe ich verhindern wollen.«
Pendlebury, der Carol zum Wagen begleitete, versuchte sie zu trösten. »Nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit mußte das früher oder später passieren.«
»Wir hätten eben früher ein Auge auf diesen Feuerteufel haben müssen.« Sie blieb stehen und kramte nach einem Papiertaschentuch, um sich die schmutzige Asche von den Trainingsschuhen zu wischen. »Nachlässige Polizeiarbeit. Er müßte längst gefaßt sein. Es ist unsere Schuld, daß der Kerl noch frei herumläuft und Menschen umbringen kann.«
»Sie müssen sich keine Vorwürfe machen. Sie waren kaum hier angekommen, da hatten Sie auch schon den Finger auf der richtigen Wunde.«
Carol unterbrach ihre Bemühungen, die Trainingsschuhe in einen einigermaßen vorzeigbaren Zustand zu bringen, und sah Pendlebury stirnrunzelnd an. »Ich mach mir keine Vorwürfe, ich sage nur, daß wir uns nicht genug reingekniet haben. Auch Sie nicht. Sie hätten meinem Vorgänger Ihren Verdacht eindringlicher klarmachen müssen.«
Pendlebury sah sie verblüfft an. Er konnte sich nicht erinnern, wann ihn jemand das letzte Mal so rüde kritisiert hatte. »Jetzt gehen Sie ein bißchen zu weit, Chief Inspector.«
»Tut mir leid, daß Sie das so sehen.« Sie kam hoch und straffte die Schultern. »Aber wenn bei unserer Zusammenarbeit etwas herauskommen soll, hat es keinen Sinn, Höflichkeiten auf Kosten der Wahrheit auszutauschen. Ich möchte von Ihnen genauso klar hören, was wir Ihrer Meinung nach falsch machen. Und wenn ich etwas sehe, das mir nicht gefällt, nenne ich die Dinge ebenfalls beim Namen. Aber ich will nicht, daß wir uns deswegen in die Haare kriegen. Ich will den Kerl erwischen. Und wir kommen keinen Schritt weiter, wenn wir uns gegenseitig versichern, daß der Tod irgendeines armen Teufels eben leider nicht zu verhindern war.«
Einen Moment lang starrte Pendlebury sie an, dann streckte er ihr versöhnlich die Hand hin. »Sie haben recht. Ich hab mich von Ihrem Vorgänger zu schnell abwimmeln lassen.«
Carol schlug lächelnd ein. »Dann nehmen wir uns einfach vor, es von jetzt ab besser zu machen, okay?«
»Abgemacht«, sagte er. »Wir unterhalten uns später noch mal, wenn die Brandfahndung mit ihrer Arbeit fertig ist.«
Auf der Heimfahrt hatte Carol Zeit, über alles nachzudenken. Aus dem Serienbrandstifter war ein Mörder geworden, oder zumindest jemand, der den Tod eines Menschen fahrlässig in Kauf genommen hatte. Was sie jetzt brauchte, war ein Täterprofil. Und sie nahm sich vor, den Entwurf fertig zu haben, bevor die Ergebnisse der forensischen Untersuchung vorlagen. Wenn John Brandon sie schon bei ihrer Zusammenarbeit in Bradfield für eine Besessene gehalten hatte, würde er jetzt sein blaues Wunder erleben. Sie wußte genau, was sie sich aufhalste und wie lange es dauerte, alle, die als Täter in Frage kamen, auf Herz und Nieren zu überprüfen. Aber wenn sie irgendwann auf der langen Strecke müde werden sollte, war der Gestank, der ihr noch in den Nasenlöchern hing, mit Sicherheit Antrieb genug, nicht aufzugeben.
Shaz hatte erst vor zehn Minuten auf die Uhr gesehen, ertappte sich aber dabei, daß sie schon wieder aufs Zifferblatt schielte. Zwanzig vor sieben. Sie wußte, daß sie jetzt keinen Schlaf mehr fand. Vielleicht nie wieder. Jedenfalls nicht, bevor Chris ihr das versprochene Ergebnis lieferte.
Komisch, es war ihr längst nicht so schwergefallen, Chris um den Gefallen zu bitten, wie sie gedacht hatte. Offenbar stimmte es eben doch, daß die Zeit Wunden heilt. Bei ihr und Detective Sergeant Chris Devine hatte die Zeit zumindest den Irritationen, die aus falsch gedeuteter Anhänglichkeit entstanden waren, den bitteren Beigeschmack genommen.
Als Shaz ihren Dienst bei der Met antrat, hatte Chris Devine in ihren Augen all das repräsentiert, was Shaz selber anstrebte. Chris war auf dem Polizeirevier in Westlondon die einzige Frau im Ermittlungsdienst, mit
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