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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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dem höheren Dienstgrad, der längeren Erfahrung und den besseren Beurteilungen. Eine Frau, die selbst in kritischen Situationen der unerschütterliche Fels in der Brandung war. Fleißig, einfallsreich, humorvoll und absolut unbestechlich. Und was Shaz noch mehr imponierte: Sie war ein echter Kumpel, ohne die Männer je vergessen zu lassen, daß sie eine Frau war.
    Shaz hatte sie studiert wie ein exotisches Gewächs unter dem Mikroskop. Sie wollte dahin, wo Chris war, sie wollte sich denselben Respekt erwerben. Klugschwätzer und Versager gab es genug, auch und gerade unter den weiblichen Polizisten. Sie wußte natürlich, daß sie – damals noch als Constable bei der uniformierten Polizei – für Chris eigentlich nur ein kleiner Niemand sein konnte, aber irgendwie schaffte sie es, die Aufmerksamkeit der lebens- und dienstgradälteren Chris auf sich zu lenken, und bald wußten alle, wenn sie eine von beiden suchten, fanden sie Chris und Shaz mit Sicherheit in der Kantine. Nicht, weil beide notorische Teetrinker gewesen wären, sondern weil sie dienstliche Probleme besprechen wollten.
    Dann kam der Tag, an dem Shaz – wie jeder ahnte: auf Chris’ Empfehlung – in den Ermittlungsdienst versetzt wurde. Und wenig später folgte ihr erster gemeinsamer Einsatz, irgendeine nächtliche Observation. Shaz ahnte nichts von Chris’ lesbischer Veranlagung. Aber als ihr Sergeant sie in dieser Nacht küßte, wurde ihr schlagartig klar, daß Chris ihren Eifer und ihre Zuneigung gründlich mißverstanden hatte.
    Von da an waren sie sich, soweit möglich, aus dem Weg gegangen. Demütigung, Verlegenheit, Verärgerung, Enttäuschung – weiß der Himmel, welcher Gefühlswirrwarr mitspielte. Das vernünftigste wäre gewesen, daß eine von ihnen um ihre Versetzung gebeten hätte. Aber Chris wollte nicht aus London weg, und Shaz, gerade bei ihren ersten Gehversuchen in der Criminal Investigation Division, schaltete ebenfalls auf stur. Wer weiß, wann sie noch einmal die Chance bekam, in den Kriminaldienst übernommen zu werden?
    Kurz darauf wurde Chris befördert und zum New Scotland Yard versetzt, sechs Monate vor Shaz’ Umzug nach Leeds. Über die bewußte Nacht hatten sie nie wieder gesprochen, bis Shaz auf einmal vor Chris’ Wohnungstür stand und sie um einen Gefallen bat. Offenbar zum nicht gerade günstigsten Zeitpunkt, jedenfalls aus der Sicht der jungen Mitarbeiterin des kriminaltechnischen Labors, die in Chris’ Bett lag. Trotzdem, als Shaz ihr erklärte, was sie wollte, hatte Chris ihr sofort ihre Unterstützung zugesagt. Und da am Montag zufällig ihr freier Tag war, konnte Shaz darauf hoffen, die gewünschten Informationen schneller zu bekommen, als das normalerweise möglich gewesen wäre.
    Während Shaz gedankenverloren ihr Müsli mit Früchten in sich hineinlöffelte, malte sie sich aus, wie Chris im zentralen Zeitungsarchiv in Colindale saß, ihr zuliebe ganze Berge von Lokalzeitungen durchblätterte, um anschließend alles zu kopieren, was sie im Zusammenhang mit dem Verschwinden der sieben Mädchen gefunden hatte.
    Shaz war überzeugt, den Schlüssel zur Aufklärung der Fälle irgendwo in der Berichterstattung der örtlichen Presse zu finden. Ihre Nase hatte sie noch nie im Stich gelassen.
    Außer bei Chris, aber das war etwas anderes gewesen.
     
    »An Fälle wie die, mit denen wir’s gewöhnlich zu tun haben, gehen Police Officer meist mit langen Zähnen ran. Und zwar, weil der Rhythmus, nach dem Verbrecher tanzen, uns wie ein bizarrer Veitstanz vorkommt.« Tony musterte seine Officer, um zu sehen, ob sie ihm wirklich zuhörten oder nur gelangweilt in ihren Unterlagen blätterten. Leon sah aus, als wäre er ganz weit weg, aber Tony hatte inzwischen gelernt, Leons scheinbar geistesabwesender Miene keine Bedeutung beizumessen. »Selbst für erfahrene Officer ist es nicht einfach, jemandem zu folgen, der sie mit einer völlig fremden Denkmethodik konfrontiert. Dazu kommt, daß wir aus ihrer Sicht nicht zu ihnen gehören, sondern von außen kommen. Darum neigen sie dazu, in uns ein zusätzliches Problem zu sehen und nicht jemanden, der ihnen bei der Lösung ihres Problems helfen will. Die Frage ist also, wie schaffen wir die Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Officer, die mit den Ermittlungen betraut sind? Hat jemand einen guten Vorschlag?«
    Simon meinte: »Die Jungs auf ’n Bierchen einladen.«
    Die anderen stöhnten gequält, Tony lächelte dünn. »Sie werden sich wundern,

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