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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Donna Doyle hatte noch nie soviel Angst gehabt. Und sie hatte auch nicht gewußt, daß Angst derart lähmend sein kann. Das, was hinter ihr lag, war schlimm genug gewesen, und doch war es schlimmer, nicht zu wissen, was ihr noch bevorstand.
    Alles hatte so gut angefangen. Donna hatte das Geheimnis für sich behalten, obwohl es in ihr gärte, daß es ihr vorkam, als suche es mit aller Gewalt den Weg über ihre Lippen. Aber er hatte ihr ja ausdrücklich erklärt, wie wichtig absolute Vertraulichkeit bei diesem Projekt sei. Hinterher gab es zwar mit Sicherheit Ärger zu Hause, aber sie konnte sich doch eine so einmalige Chance nicht entgehen lassen. Wenn sie ins Fernsehen kam, wog das allen Ärger auf, doppelt und dreifach. Zugegeben, es war nicht schön, daß sie Mum belogen hatte, aber sie hätte doch nicht das Risiko eingehen können, daß ihre Mutter ihr alles vermasselte.
    Die Schule zu schwänzen war einfach gewesen. Donna war zur gewohnten Zeit losgegangen, dann aber, statt Richtung Schule zu gehen, in die Innenstadt abgebogen und hatte sich dort in einer öffentlichen Toilette umgezogen. In der Schultasche lag, sorgfältig zusammengefaltet, statt der Bücher ihr bestes Kleid. Ein schicker Fummel, der sie älter aussehen ließ. Sie hätte glatt eine dieser sagenhaft coolen jungen Frauen bei MTV sein können. Rasch noch vor dem Spiegel das Make-up auftragen – o Mann, sie sah toll aus. An dem Abend, als er auf sie zugekommen war, hatte sie einen Alltagsfummel getragen, trotzdem hatte er auf Anhieb erkannt, daß das Zeug zu einem Star in ihr steckte, und wie sie heute aussah, das mußte ihn einfach umhauen.
    Jetzt, als sie von Schmerzen und Ängsten gepeinigt im Dunkel lag, kam ihr das wie ein schlechter Witz vor, aber heute morgen hatte es ihr Selbstvertrauen und Zuversicht gegeben. Sie hatte sich vergewissert, daß keine Nachbarn oder Mutters langweiliger Freund im Bus nach Manchester saßen, und sich einen Sitzplatz im Oberdeck gesucht, von wo sie am besten sehen konnte, wer an den Haltestellen zu- oder ausstieg.
    Mitten in der Woche einen ganzen Tag zum Bummeln in Manchester zu haben war ein tolles Gefühl gewesen. Sie war durch die Kaufhäuser geschlendert, hatte sich in einem Spielsalon an den Flipperautomaten ausgetobt und auf dem Weg zum Bahnhof an einem Kiosk ein paar Rubbellose gekauft. Daß sie mit einem davon zehn Pfund gewann, bar auf die Hand, konnte nur ein gutes Omen sein. Erst als sie in den Zug stieg, fing es bei dem Gedanken an Mum wieder an, in ihrem Magen zu kribbeln.
    Das Umsteigen war kein reines Vergnügen. Es wurde schon dunkel, und in Newcastle hörte sie von der Lautsprecherdurchsage kein einziges Wort. Die Leute dort redeten ganz anders als Jimmy Nail oder Kevin Whatley im Fernsehen. Wie Wesen von einem anderen Stern. Irgendwie hatte sie’s doch geschafft, den richtigen Bahnsteig zu finden. Aber als sie dann im Zug nach Five Walls gesessen und gemerkt hatte, daß all die fremden Typen auf ihren kurzen Rock und das aufsehenerregende Make-up starrten, war ihr doch wieder mulmig zumute gewesen. Auf einmal waren ihr die müden Pendler wie Sittenstrolche oder Mädchenhändler vorgekommen.
    Als sie endlich an der Bedarfshaltestelle Five Walls ankam, wartete er, wie versprochen, auf dem Parkplatz auf sie. Und er war richtig süß, sagte all das, was sie hören wollte, und beruhigte sie, sie habe alles richtig gemacht, und morgen werde bestimmt alles prima laufen. Lieb und verständnisvoll, nicht so arrogant, wie man das bei einem, der im Fernsehen auftritt, eigentlich erwartet.
    Während der Fahrt über die schmale Landstraße fragte er, ob sie, weil die Probeaufnahmen ja erst morgen früh möglich waren, einverstanden sei, bei ihm zu Abend zu essen und im Gästezimmer seines Cottages zu übernachten. Dann müsse er, wenn er ein paar Gläser Wein getrunken habe, nicht mehr Gott weiß wie weit zum nächsten Hotel fahren. Natürlich gab es eine innere Stimme, die sie warnte, so was schicke sich nicht, aber es gab auch die andere Stimme, die ihr einflüsterte, wenn sie sein Angebot annahm und sich nicht zickig anstellte, wären die Probeaufnahmen morgen früh nur noch eine Formalität. Und die Flüsterstimme setzte sich durch. Zumal sie Donna auch mit dem Argument lockte, eine so günstige Gelegenheit, ihr Jungfernhäutchen loszuwerden, böte sich wahrscheinlich so schnell nicht wieder.
    »Wenn ich bei Ihnen übernachten könnte, das wäre toll«, sagte sie.
    Er lächelte und sah sie ein paar

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