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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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spöttisch verzogenen Mundwinkeln vor sich hin qualmen und am Ende ihre Analyse zerpflücken. Von Kay erwartete sie eher kleinliches Herummäkeln an Details, der Blick fürs Ganze war nicht ihre Stärke. Von Tony dagegen erhoffte sie sich, daß er sich von der Brillanz ihrer Schlußfolgerungen beeindruckt zeigte – und unverzüglich Ermittlungen veranlaßte. Und dann kam alles, wie es kommen mußte: Sie wurde zu einer Legende. Die Frau, die den berüchtigten Serienmörder zur Strecke gebracht hatte. Das große Fragezeichen war Carol Jordan. Sie hatte heute vormittag …
    Aha, es ging los, Leon machte den Anfang.
    Shaz war überrascht von der Kürze seines Vortrags, und wahrscheinlich ging das nicht nur ihr so. Er räumte ein, daß es gewisse Ähnlichkeiten gebe, hielt das aber angesichts der hohen Zahl von Teenagern, die jedes Jahr in Großbritannien verschwanden, nicht für signifikant. Er hatte sich – offensichtlich mehr pflichtgemäß als aus Überzeugung – auf vier Mädchen im Westteil des Landes konzentriert, eines davon gehörte zu Shaz’ Siebenergruppe. Die Übereinstimmung sah er darin, daß sie alle von einer Karriere als Model geträumt hatten. Woraus Leon den Schluß zog, daß sie vermutlich einem Pornofotografen auf den Leim gegangen und im Milieu der Hard-core-Filmemacher, wenn nicht gar im Sumpf der käuflichen Liebe geendet waren.
    Langes Schweigen, dann einige lahme Kommentare aus der Gruppe und schließlich Carols sarkastische Frage: »Und wie lange, Mr. Jackson, haben Sie für diese Analyse gebraucht?«
    Leon runzelte die Augenbrauen. »Nicht lange, es gab ja nicht viel zu analysieren.«
    »Wenn ich die Leiterin der Ermittlungen wäre und Ihnen diese Unterlagen zur Verfügung gestellt hätte, wäre ich von einer so oberflächlichen Analyse enttäuscht«, sagte Carol. »Das ist kein Ergebnis, für das ich einen Spezialisten bemühen muß. Das hätte mir jeder meiner Officer in zwei Stunden liefern können.«
    Leon starrte sie mit vor Verblüffung offenem Mund an. So war er von Tony noch nie kritisiert worden, nicht mal von Commander Bishop. Aber bevor er aufmucken konnte, griff Tony ein: » DCI Jordan hat recht, Leon. Wir machen uns keine Freunde, wenn wir den Eindruck erwecken, als nähmen wir einen Auftrag nicht ernst. Egal, was wir von einem Fall halten, für denjenigen, der die Ermittlungen leitet, ist er wichtig. Und für die Opfer eines Verbrechens erst recht.«
    »Das war doch nur eine Übung«, versuchte sich Leon herauszureden. »Hier gibt’s keinen Leiter der Ermittlungen.«
    »Soweit ich weiß, handelt es sich um echte Fälle«, erinnerte ihn Carol. »Diese Kids stehen tatsächlich auf der Vermißtenliste. Ist Ihnen noch nie der Gedanke gekommen, wie sehr die Eltern unter der Ungewißheit über das Schicksal ihrer Kinder leiden?«
    Tony nickte. »Eben. Und um das klarzustellen: Wir haben DCI Jordan ausdrücklich gebeten, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. So, wer trägt jetzt vor.«
    Kay war dran. Shaz konnte während des Vortrags kaum ihre Ungeduld verbergen. Immerhin hatte Kay sehr fleißig verschiedene Übereinstimmungen herausgearbeitet, so daß Tony am Ende ihres Vortrags zufriedener aussah als bei Leon. »Eine gründliche Analyse«, stellte er fest, »danke, Kay.« Irgendwie schien allerdings ein unausgesprochenes ›Aber‹ in der Luft zu hängen.
    Carol sprach es aus. »Ja, aber das hört sich an, als hätten Sie alles von einer höheren Warte aus beurteilt. Der Leiter einer Ermittlung erwartet Anregungen für sein weiteres Vorgehen. Eine implizite Empfehlung, wo er seine Prioritäten setzen soll. Bei Ihnen wird nicht klar, was Sie für die wahrscheinlichste Möglichkeit halten. Was soll ein Ermittler damit anfangen?«
    »Um fair zu sein«, warf Tony ein, »das mag bei der theoretischen Erörterung in einem Seminar nicht ganz einfach sein, dennoch sollte ein Vorschlag für Prioritäten nicht fehlen. Möchte jemand in unserem konkreten Fall dazu etwas vorschlagen.«
    Shaz beteiligte sich kaum an der anschließenden, kurzen Diskussion, dazu war sie viel zu nervös. Und ehe sie sich’s versah, war plötzlich sie an der Reihe. Sie hüstelte und legte ihre Unterlagen zurecht.
    »Auf den ersten Blick sieht es aus, als seien die Ähnlichkeiten oder Übereinstimmungen nicht so zwingend, daß sich überzeugend eine zusammengehörende Gruppe von Opfern herausschält. Aber bei genauerer Analyse stellte sich heraus, daß es doch eine Gruppe gibt, bei der die Übereinstimmungen

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