Schlussblende
reagiert hatte? In den Nachrichten hatten sie nichts darüber gebracht, aber das war ja in den früheren Fällen genauso gewesen.
O ja, er hatte sie alle dafür bezahlen lassen, was eine von ihnen ihm angetan hatte. Schade, daß er sich nicht die vornehmen konnte, die es wirklich verdient hätte. Das ging nicht, denn da wäre der Verdacht sofort auf ihn gefallen. Aber er fand überall Ersatz-Jillies. Mädchen, die genauso reif und zart aussahen wie sie, als er sie zum ersten Mal flachgelegt und ihr – wie heißt es immer so schön? – mit der Kraft seiner Lenden das Jungfernhäutchen aufgesprengt hatte. Jetzt ließ er die anderen spüren, was er durchgemacht und was Jillie, die treulose Schlampe, nie verstanden hatte. Die Mädchen, die er sich jetzt holte, konnten ihn nicht so einfach sitzenlassen, für sie war er der Herr über Leben und Tod. Sie mußten Jillies Schuld abtragen, wieder und wieder.
Früher hatte er geglaubt, ihr Ersatztod werde ihn irgendwann versöhnen mit dem, was ihm angetan worden war. Aber das Gefühl der Erlösung hielt nie lange an. Er mußte es immer wieder tun.
Wirklich ein Glück, daß er eine so kunstvolle Methode entwickelt hatte. Darum war ihm ja in all den Jahren niemand auf die Spur gekommen. Bis zu dem Tag, an dem ihm diese verbiesterte Einzelgängerin auf die Pelle gerückt war. Nun ja, die Bowman hatte er auf andere Art bezahlen lassen. Und doch war auch ihr Tod auf seine Art befriedigend gewesen.
Vielleicht sollte er überhaupt mal ein wenig Abwechslung ins Spiel bringen. Man darf sich nie sklavisch an Routine klammern.
Tony nahm bei jedem Schritt zwei Stufen auf einmal. Er war zornig und frustriert, weil ihm niemand erlauben wollte, mit Simon zu reden. Colin Wharton verschanzte sich hinter der Ausrede, es läge nicht in seinem Ermessen, bei einem Mordfall über eine Zusammenarbeit mit Dritten zu entscheiden. Paul Bishop war wieder mal nicht zu erreichen, er hatte ein besonderes Geschick dafür, genau dann, wenn man ihn dringend brauchte, irgendwo an Besprechungen teilzunehmen. Und McCormick, der Divisional Chief Superintendent, bedauerte, Tony wegen angeblich dringender anderer Termine nicht empfangen zu können.
In der Erwartung, wenigstens die drei verbliebenen Angehörigen seiner Gruppe anzutreffen, stieß er die Tür zum Seminarraum auf. Carol Jordan sah von ihrem mitgebrachten Aktenstapel hoch. »Ich dachte schon, ich hätte mich im Datum geirrt.«
»Ach, Carol.« Tony ließ sich seufzend auf den nächsten Drehstuhl fallen. »Ich hab völlig vergessen, daß Sie heute nachmittag zu uns kommen wollten.«
»Sieht so aus, als wären Sie nicht der einzige.« Sie deutete auf die leeren Stühle. »Wo stecken die anderen? Die können doch nicht alle schwänzen?«
Tony sah sie gequält an. »Hat Ihnen denn keiner was gesagt?«
»Wieso? Was ist passiert?« Ein ungutes Gefühl beschlich Carol. Irgend etwas mußte Tony mächtig geärgert haben.
»Erinnern Sie sich an Shaz Bowman?«
Carol nickte. »Natürlich. Diese zwingenden blauen Augen vergißt man so schnell nicht.«
Tony zuckte zusammen. »Jetzt können Sie sie vergessen.«
»Was ist denn los?« Sie roch Unheil, dachte dabei aber immer noch an Tony, nicht an Shaz.
Er schluckte, schloß die Augen, sah im Geiste Shaz’ verstümmelte Leiche vor sich und mußte sich zwingen, seine Gefühle einigermaßen unter Kontrolle zu halten. »Sie ist einem Psychopathen zum Opfer gefallen. Einem Kerl, der’s spaßig fand, ihr die blauen Augen auszudrücken, die Ohren, die immer so genau hingehört haben, abzuschneiden und ihr eine ätzende Flüssigkeit einzuflößen, bis ihr Mund, aus dem wir soviel Gescheites gehört haben, aussah wie ein Klumpen grell angemalte Knetmasse. Sie ist tot, Carol. Shaz Bowman ist tot.«
Carols Lippen öffneten sich ungläubig. »Nein«, hauchte sie. In dem Blick, mit dem sie Tony anstarrte, mischten sich Entsetzen und Erschrecken. Sie blickte lange stumm vor sich hin. Dann stellte sie die Frage, die man ihr vor vielen Jahren an der Polizeischule beigebracht hatte: »Warum?«
»Der Mörder hat ihr einen Computerausdruck ans Jackett geheftet. Eine Zeichnung und den Auszug aus einem Nachschlagewerk über die drei weisen Affen«, sagte Tony.
In Carols Augen schien eine Ahnung aufzuschimmern, aber dann hob sie irritiert die Augenbrauen. »Sie glauben doch nicht etwa … Ich meine, diese These, die sie neulich vorgetragen hat … Damit kann es doch nichts zu tun haben, oder?«
Tony rieb sich
Weitere Kostenlose Bücher