Schlussblende
nur für sich gewollt. Mit dem Ruhm wäre das Geld gekommen, und mit dem Geld hätte Mum nicht mehr so schuften und jeden Penny zweimal umdrehen müssen wie seit Dads Tod. Donna hatte sie damit überraschen wollen. Aber daraus wurde nun nichts. Selbst wenn sie je wieder hier herauskam, selbst wenn sie rechtzeitig gefunden wurde, der Traum vom Star war ausgeträumt.
Sie konnten sie immer noch finden, sagte sie sich und redete sich ein, daß das nicht nur wie Pfeifen im Dunkeln wäre. Natürlich suchten sie nach ihr. Ihre Mum war zur Polizei gegangen, in den Zeitungen war ihr Foto gewesen, vielleicht auch im Fernsehen. Überall im Land gab es Leute, die sie gesehen hatten und sich an sie erinnern würden. Die vielen Leute im Zug. Die, die mit ihr in Five Walls ausgestiegen waren. Einer mußte sich an sie erinnern. Wo sie doch so schick ausgesehen hatte. Die Polizei kam bestimmt bald dahinter, wem der Land Rover gehörte, in den sie eingestiegen war. Oder etwa nicht?
Sie wimmerte leise in sich hinein. Tief im Herzen wußte sie, daß sie nie wieder woanders liegen würde als hier. Es war – wie sagt man da? – ihre letzte Ruhestätte. Und da fing Donna Doyle in ihrem Grab zu weinen an.
T ony saß nach vorn gebeugt im Lehnsessel und starrte ins flackernde Gasgelb des falschen Kaminfeuers. Vor ihm stand noch immer das Glas Bier, das Carol ihm gebracht hatte, als er gekommen war. Ausreden hatte sie nicht gelten lassen, es war ja nur eine Stunde auf der Schnellstraße bis zu den Vororten von Seaford. Er stand unter Schock, er mußte sich irgendwo aussprechen können. Und sie brauchte seinen Rat in der Sache mit dem Brandstifter. Sie mußte einen Kater füttern, er nicht, also konnten sie sich nur bei ihr treffen.
Und nun saßen sie da und hatten, seit er gekommen war, kaum ein Wort geredet. Er starrte in die Flammen, sah aber im Geiste das Bild der toten Shaz Bowman vor sich. Carol hatte ihn in Ruhe gelassen und die Zeit genutzt, um den vorbereiteten Auflauf aus Hühnerbrüstchen, Kartoffeln, kleingehackten Zwiebeln und einer Fertigsoße in den Herd zu schieben und anschließend oben im Gästezimmer das Bett zu beziehen. Obwohl sie sich nicht der Illusion hingab, heute irgend etwas von Tony erwarten zu können.
Sie schenkte sich einen großen Gin-Tonic ein, gab zwei tiefgefrorene Lemonenscheiben dazu, ging ins Wohnzimmer und setzte sich – mit untergeschlagenen Beinen, Nelson lag auf dem Hirtenteppich zwischen ihnen – in den Lehnsessel ihm gegenüber.
Tony sah hoch und brachte ein verhuschtes Lächeln zustande. »Danke für den Frieden und die Stille. Das Ambiente Ihres Cottages ist genau das, was ich heute brauche.«
»Ich bin froh, daß es Ihnen gefällt. Mir auch, deshalb habe ich’s ja gekauft. Und wegen der Aussicht.«
»Ich … ich werde das Bild nicht los«, sagte er. »Ich stelle mir das immer wieder vor. Wie er sie fesselt und knebelt, in dem Wissen, daß sie nicht lebend davonkommt. Dabei weiß er nicht mal, was und wieviel sie weiß.«
»Was immer das gewesen ist«, sagte Carol. »Ich nehme an, das läßt in Ihnen alles wieder lebendig werden.«
Tony nickte. Dabei wünschte er sich nichts so sehr, als die Erinnerungen loszuwerden. Nur, der Versuch, alles zu vergessen, war manchmal genauso quälend wie das Erleben. »Carol«, sagte er unvermittelt, »Sie sind Detective. Sie haben dabeigesessen, als Shaz ihr Ergebnis zu meiner Übungsaufgabe vorgetragen hat. Und Sie haben gehört, was die anderen dazu gesagt haben. Versetzen Sie sich in Shaz’ Lage. Stellen Sie sich vor, Sie stünden noch ganz am Anfang Ihrer Karriere und müßten noch beweisen, was in Ihnen steckt. Denken Sie nicht lange nach, antworten Sie einfach aus dem Bauch heraus. Wie hätten Sie an Shaz’ Stelle reagiert?«
»Ich hätte beweisen wollen, daß ich recht habe und ihr alle unrecht habt.«
»Geschenkt, das ist klar«, sagte Tony ungeduldig, »aber wie hätten Sie das bewiesen? Was hätten Sie konkret getan?«
Carol nahm einen Schluck von ihrem Drink. »Ich weiß, was ich jetzt tun würde. Ein Team zusammenstellen, zwei, drei Officer, und auf die Fälle dieser verschwundenen Teenager ansetzen. Weit zurück in die Vergangenheit gehen. Mit Freunden und den Familien reden. Herausfinden, ob die vermißten Mädchen Fans von Jacko Vance waren. Ob sie bei seiner Veranstaltung waren. Und wer mit ihnen dort gewesen war. Und ob dem Freund oder der Freundin irgend etwas aufgefallen ist.«
»Dafür hatte Shaz weder die Zeit noch die
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