Schlussblende
soweit ich weiß, hat Sharon Bowman in Leeds niemanden außer Ihnen und Ihren Leuten näher gekannt.«
»Shaz«, murmelte Tony. »Sie wollte nicht Sharon genannt werden, sondern Shaz.«
»Das dürfte wohl jetzt keine Bedeutung mehr haben«, kanzelte McCormick ihn ab. »Der entscheidende Punkt ist, daß sie außer Ihnen und Ihren Leuten niemand hereingelassen hätte. Daher wünsche ich nicht, daß Sie und Ihre Leute untereinander über den Fall sprechen, bis meine Officer Gelegenheit hatten, jeden von Ihnen zu vernehmen. Die Angehörigen der Task Force sind bis auf weiteres vom Dienst suspendiert. Es ist ihnen untersagt, die Dienststelle zu betreten und untereinander Kontakt aufzunehmen. Mit Commander Bishop und dem Innenministerium habe ich mich bereits abgestimmt, sie billigen mein Vorgehen. Ist das klar?«
Tony schüttelte den Kopf. Das durfte alles nicht wahr sein. Shaz war tot, und nun hängte McCormick seiner Gruppe – den einzigen, die der Mordkommission brauchbare Hinweise geben konnten – einen Maulkorb um. »Bei großzügiger Auslegung Ihrer Kompetenzen könnte ich akzeptieren, daß Sie die Befugnis haben, den Angehörigen der Gruppe derartige Anweisungen zu geben. Aber mir nicht, McCormick, ich bin kein Police Officer und Ihnen nicht unterstellt. Sie sollten, statt uns Steine in den Weg zu legen, unsere speziellen Erfahrungen nutzen. Wir können Ihnen helfen. Mein Gott, kapieren Sie das nicht?«
»Helfen?« fragte McCormick aufgebracht. »Wie denn? Mir sind da etwas seltsame Fantastereien zu Ohren gekommen. Meine Männer orientieren sich an Spuren, nicht an Witzen. Und das mit Jacko Vance kann ja wohl nur ein Witz sein. Es gibt eine Art von Hilfe, die ich als eher hinderlich betrachte. Ich möchte, daß Sie das Dienstgebäude sofort verlassen und meinen Leuten keinen Ärger machen. Morgen früh um zehn melden Sie sich hier, dann werden meine Officer Sie zum Fall Sharon Bowman vernehmen. Habe ich mich klar ausgedrückt, Dr. Hill?«
»Hören Sie, ich kann Ihnen wirklich helfen. Ich verstehe die Psyche von Mördern, ich weiß, warum sie das tun, was sie tun.«
»Das ist nicht schwer zu erraten. Die haben ein krankes Gehirn, das ist alles.«
»Das schon, aber jedes Mördergehirn ist auf eine andere Weise krank«, sagte Tony. »Dieser Fall, zum Beispiel – ich wette, der Mörder hat sie nicht sexuell attackiert. Habe ich recht?«
McCormick runzelte die Stirn. »Woher wissen Sie das?«
»Ich
weiß
es nicht im üblichen Sinne des Wortes.« Tony redete immer eindringlicher auf ihn ein. »Ich weiß es, weil ich aus dem Szenario am Tatort Dinge herauslesen kann, die Ihre Männer nicht herauslesen. Das war kein spontaner Lustmord, Superintendent, hier ging’s dem Mörder darum, uns eine Botschaft zu übermitteln. Und das deutet darauf hin, daß er sich uns himmelhoch überlegen fühlt. Er ist sicher, daß wir ihn nie schnappen. Aber ich kann Ihnen helfen, ihn zu schnappen.«
McCormick schüttelte den Kopf. »Sie haben irgendwo irgendwas aufgeschnappt, und nun machen Sie flugs eine hochtrabende Theorie daraus. Aber das überzeugt mich nicht. Es bleibt dabei, Ihre Mitarbeit in meinem Dienstbereich ist unerwünscht. Ihre Vorgesetzten im Innenministerium haben dieser Entscheidung bereits zugestimmt. Und nun darf ich Sie bitten zu gehen.«
Tony wußte, daß er die Schlacht – zumindest hier und heute – verloren hatte. Er biß sich auf die Lippen, nahm sämtliche Unterlagen über die Fälle der vermißten Teenager aus dem Schrank, verstaute sie in der Aktentasche und ging wortlos aus dem Seminarraum. Überall auf den Fluren begegnete er den stummen Blicken der Officer. Er war froh, daß Carol diesen Spießrutenlauf nicht miterlebte. Sie hätte nicht so ruhig und gelassen darauf reagiert. Aber scheinbare Gelassenheit war jetzt seine einzige Waffe.
Als die Außentür hinter ihm zufiel, hörte er noch irgend jemanden – die Stimme erkannte er nicht wieder – hinter sich rufen: »Ein Glück, daß wir den Kerl los sind.«
S ooft sie ein paar Minuten aus dem Meer der Schmerzen auftauchte, dachte Donna Doyle über ihr kurzes Leben nach. Nichts bedauerte sie so wie das blinde Vertrauen, das sie hierhergebracht hatte. Ein Schritt hin zu dem vermeintlich goldenen Regenbogen, zu einer Erlösung, die genauso trügerisch war wie die, von der der Priester jeden Sonntag erzählte. Sie hatte mal an die Chance geglaubt, ein Star zu werden. Ein furchtbarer Irrtum.
Es war nicht fair. Sie hatte das alles ja nicht
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