Schmeckts noch
und zu Teig verarbeitet. Anschließend wird der Laib in den computergesteuerten Ofen geschoben, und ruck, zuck ist das Billigbrot fertig. Die gute alte Backstube von früher gibt es heute nur noch selten.
In der Tütenbäckerei
Unser tägliches Brot hat sich in klägliches Brot verwandelt. Jedes dritte Brot ist heute ein Industriebrot, und das hat mit der guten alten Bäckerhandwerkskunst nichts gemein. Backstuben sind vollautomatische Fertigungshallen, in denen ein mittelständisches Unternehmen bis zu 30 Tonnen Mehl am Tag verarbeitet. Alles soll schnell und möglichst rationell gehen. Hochgeschwindigkeitsmixer und Knetmaschinen ersetzen flinke Bäckerhände, Kollege Computer berechnet den Produktionsablauf. Mit Gärschränken und Bräunungsautomaten lässt sich Zeit sparen. Das alles funktioniert nur, wenn der Teig perfekt an die Maschinen angepasst ist. Erst die Backmittelindustrie mit ihrem Chemiemix aus der Zaubertüte macht diesen reibungslosen Ablauf möglich. Brot ist zum Fertigprodukt geworden.
Dem Tütenbäcker helfen Mittelchen, die das Volumen des Brotes erhöhen, andere wieder manipulieren die Farbe. So wird aus weißer Ware ruck, zuck dunkles Brot, und damit das Schummelbrot mit dem knackig braunen Vollkornlook auch wirklich überzeugt, werden von außen noch ein paar Körner auf die Krume gestreut. 90 Prozent der Bäcker arbeiten bereits mit Backmitteln, die den Teig regulieren und blähen, andere wirken gegen dieKlebrigkeit, machen das Knetmaterial je nach Bedarf härter oder weicher. Für Brotfabriken werden die Mischungen speziell für die jeweilige Backstraße gemischt.
Der Mann in der Backstube kennt die Inhaltsstoffe nicht, die sich in den Backmitteln befinden – ebensowenig wie die Käufer. Zusätze wie Säuerungsmittel, Ascorbinsäure, Emulgatoren, Kalziumsulfat und jede Menge Enzyme sind beim Backvorgang im Einsatz und machen später so manchem Allergiker das Leben schwer. Es gibt Bräunungsmittel und Stabilisatoren, und es gibt Gärcontroller, die »Relax« heißen, als ob es sich um ein Beruhigungsmittel handle.
Würde es beim Einkauf von Tütenbrot Beipackzettel wie bei Medikamenten geben, wäre die Liste lang: Insgesamt sind über 70 Chemikalien in Backmitteln erlaubt, darunter zwölf Konservierungsstoffe, acht Farbstoffe, acht Verdickungsmittel, sechs Säureregulatoren, fünf Säuerungsmittel, vier unterschiedliche Emulgatoren sowie Treibmittel und Geschmacksverstärker.
Backmittel enthalten Alpha- und Beta-Amylasen, die aus Pilzoder Bakterienkulturen isoliert werden und je nach der eingestellten Temperatur aktiv werden. Diese Amylasen verdauen quasi die Stärke vor, indem sie Zuckerstoffe abbauen. Dabei erhöhen sie die Leistung der Hefen und vergrößern das Volumen des Brotes. Bei Weißbrot garantieren Amylasen eine stabile Kruste. Hemicellulase verbessert den Wasserhaushalt im Teig, Peroxidase die Festigkeit, Schimmelpilzamylasen lassen den Teig schneller aufgehen und verhindern das Trockenwerden. Das Enzym Lipase, ein Fettspalter, verbessert das Volumen und sorgt für eine längere Lagerfähigkeit des Brotes. Lipoxygenase oxidiert ungesättigte Fettsäuren und beeinflusst dabei die Struktur der Krume. Allgemein üblich ist der Einsatz von Emulgatoren wie dem aus Soja gewonnenen Lecithin oder Mono- und Diglyceriden. Die letzten beiden sind Abbauprodukte von Fetten. Sie machen den Teig maschinengängiger, das heißt, er klebt nicht so leicht auf dem Blech in der Backstraße fest.Außerdem lässt sich das Brot später besser einfrieren. Kalziumsulfat, besser bekannt als Gips, wirkt als Trennmittel und verhindert lästige Klumpen im Teig.
Mittlerweile kaufen etwa zwei Drittel der Verbraucher ihr Brot beim Discounter und nicht beim Bäcker, weil sie offenbar abgepackte und geschnittene Brote bevorzugen. Ob sie es auch bevorzugen, dass diese Brote im Gegensatz zu frischem Brot gegen Schimmelbefall mit Sorbin- und Propionsäure konserviert werden dürfen? Häufig werden abgepackte Brote bei 70 Grad pasteurisiert, um sie länger haltbar zu machen. Dazu verpackt man die geschnittenen Scheiben in hitzebeständige Beutel, die mit einem Clip verschlossen werden. Dann wird die Ware eine Viertelstunde lang erhitzt. In Deutschland stellen etwa 60 Großbäckereien abgepacktes Brot her. Ihre Produkte schneiden bei Untersuchungen manchmal sogar besser ab als Tütenbäckerware, denn einige Großbäckereien verzichten auf Fertigmehle und stellen Sauerteig noch selbst her.
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