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Schmeckts noch

Titel: Schmeckts noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Goris
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unberechenbare Sauerteig
     
    Sauerteig gilt als die älteste Methode zur Säuerung von Brotteig. Im alten Ägypten kannte man Kamut, einen Urweizen, aus dem eine Art gesäuertes Brot gebacken wurde. Irgendwann hat vielleicht ein Bäcker etwas Teig in der Wärme vergessen, dann die spontane Gärung entdeckt und genutzt – der Sauerteig war geboren. Der Geschmack muss die alten Ägypter überzeugt haben.
    Richtige Sauerteigführung gilt als hohe Kunst des Brotbackens, denn der Teig reagiert divenhaft auf Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen. Außerdem nimmt Sauerteig viel Zeit in Anspruch: Er will mindestens 24 Stunden lang umsorgt und gepflegt werden. Den Basisbrei für klassischen Sauerteig bekommt man,wenn man eine Tasse Roggenmehl mit etwas Wasser vermischt, ein wenig Salz hinzufügt und alles gären lässt. In dem Brei werden Mikroorganismen wie Hefepilze und Säurebakterien aktiv. Sie sind schon von Natur aus im Roggen vorhanden – in Verbindung mit Wasser und Wärme erwachen sie zum Leben. Man fügt weiter Mehl und Wasser hinzu, bis der Brotteig fertig ist. Am Ende müssen Milch- und Essigsäure im Teig etwa ein Verhältnis von 90:10 haben. Bei zu hohen Temperaturen bildet sich mehr Milchsäure, bei zu niedrigen mehr Essigsäure. Geht mit dem Teig etwas schief, schmeckt das Brot fad oder zu sauer. Ohne hinreichende Säure wird es klitschig.
    Die klassischen Handwerksbäcker, von denen es leider immer weniger gibt, arbeiten auch heute noch nach eigenen Rezepturen. Deshalb kann ein und dieselbe Sorte Brot bei jedem Bäcker anders schmecken. Doch wozu all die Mühe mit dem Sauerteig? Was macht Natursauerbrote so besonders?
    Sie bleiben länger frisch, haben durch die Säuren einen eingebauten Schimmelschutz, die Krume ist schön gleichmäßig, das Brot ist locker und leicht verdaulich. Das Wichtigste ist allerdings die Bekömmlichkeit von Sauerteigbrot, das selbst empfindliche Mägen überzeugt. Dahinter steckt der lange Gärungsprozess. Die Säure hemmt im Roggen enthaltene Enzyme und macht zum Beispiel Phytin unschädlich, ein natürliches Pflanzenschutzmittel, das im Getreide steckt, um es vor Fraßfeinden zu schützen. Beim Menschen hemmt Phytin die Aufnahme von Magnesium und Zink im Körper.
    Der Tütenbäcker arbeitet aus Angst vor dem unberechenbaren Sauerteig lieber gleich mit Fertig- oder Kunstsauermischungen. Wenn in einem Betrieb mehrere Brotteige hergestellt werden, muss immer genug reifer Sauerteig zur Verfügung stehen. Das erfordert umsichtige Planung. Der fein abgestimmte Chemiemix dagegen ist praktisch. Er ist schnell angerührt und verkürzt die Fermentation des Teigs erheblich. Die Ruhezeit, die ein Teigbraucht, dauert keine 24 Stunden, sondern maximal 50 Minuten. Dafür enthalten teigsäuernde Backmittel Zutaten wie Quellmehl und Zusatzstoffe wie Stabilisatoren in konzentrierter Form. Sie werden als Pulver, Pasten oder flüssige Konzentrate angeboten. Da die Information der Hersteller über die Zusammensetzung des Konzentrats ungenügend ist, muss sich der Bäcker mit nichtssagenden Sätzen wie »dieser Extrakt wird mit Milchsäure auf einen Säuregrad von 230 eingestellt« zufriedengeben. Vor allem aber fehlen diesen Backmitteln bestimmte Säuren und Gärungsstufen, die später das Aroma des Brots ausmachen. Dafür sind perfekte Backergebnisse garantiert, denn Kunstsauer ist idiotensicher.
     
Für Brot gibt es kein Reinheitsgebot
     
    Nicht genug damit, dass bei Analysen immer wieder Spuren von Pestiziden im Brot nachgewiesen werden, es gibt auch keine Deklarationspflicht für Backmittel, deshalb kann alles mögliche verbacken werden. Bis Anfang 2001 durften sogar Menschenhaare in Form von Cystein als Zusatzstoff aus der Backmitteltüte rieseln. Diese schwefelhaltige Aminosäure wurde bis zum Verbot aus menschlichen Haaren gewonnen, die vor allem aus China importiert wurden. Jetzt wird Cystein, das unter anderem das typische Brotaroma mit beeinflusst, genetisch hergestellt.
    Die Kunden glauben, ein reines Naturprodukt zu erwerben, und werden doch an der Nase herumgeführt. Sie fallen in Supermärkten und Tankstellen auf das »Showbacken « herein, weil es so herrlich nach frischem Brot riecht, doch was da aus dem Ofen kommt, ist die Tütenware der Industrie. Die Backshow läuft von Flensburg bis Passau in über 10 000 öffentlichen Öfen, und Großbäckereien liefern die passenden Pre-Bake-Produkte dazu. Alte Handwerkskunst ist vor den Öfen nur gespieltes Theater. Auchwenn der Typ mit

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