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Schmeckts noch

Titel: Schmeckts noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Goris
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Nahrung verteilt und von Angstessern und Wellnessbewegten brav konsumiert. Wer Functional Food futtert, will vor allem eines: mehr Ballaststoffe, mehr Mineralstoffe und Vitamine, Vitamine, Vitamine!
    Grenzen scheint das Anreicherungsgeschäft nicht zu kennen. Rund 60 Milliarden Euro werden schon heute weltweit mit funktionellen Lebensmitteln umgesetzt. Und das ist erst der bescheidene Anfang: Im Jahr 2050 soll Functional Food gut die Hälfte des gesamten Lebensmittelmarkts ausmachen.
    Der Markt boomt, und niemand kann ein Ende absehen. Bloß was genau Functional Food ist, wurde bisher nicht definiert. Dawerden Substanzen wie Folsäure, Guarana, Taurin und Kreatin ins Essen gerührt, ohne dass irgend jemand zuverlässig etwas über die Wechselwirkungen mit den natürlichen Inhaltsstoffen der Lebensmittel sagen könnte. Für die Gesundheitsbehörden gilt das Motto: Hauptsache, es schadet nicht. Es gibt bereits Hühnersuppe mit Echinacin, die das Immunsystem stärken soll, und Kaugummi mit Phosphatidyl aus der Sojabohne, das angeblich die Gehirnfunktionen unterstützt und den Denkprozess beschleunigt.
    Keine Idee ist absurd genug, um nicht die Kunden zur Kasse zu bitten. In Großbritannien hat sich beispielsweise der »Lady-Laib« durchgesetzt, das Brot gegen Wechseljahrsbeschwerden. Ein Besuch in der Bäckerei ist ja auch wesentlich angenehmer, als beim Gynäkologen auf den Stuhl zu steigen und nach einer Untersuchung den Hormonstatus bestimmen zu lassen. Im Lady-Laib sind pflanzliche Hormone, sogenannte Phytoöstrogene, verbacken. Ein Scheibchen Brot mit Pflanzenöstrogen soll also gegen Hitzewallungen, Falten und Stimmungsschwankungen helfen? Mit dem richtigen Streichfett obendrauf lässt sich vielleicht mit demselben Bissen sogar noch das böse Cholesterin senken? Die Pflanzensterine einer Diät-Halbfettmargarine wie »Becel pro-activ« wirken im Darm und – flupps – ist das gefährliche LDL-Blutfett einfach ausgeschieden … Ist das alles wirklich so einfach?
    Vor allem von sekundären Pflanzenstoffen wie Polyphenolen oder Carotinoiden wird Wundersames berichtet. Sie sollen antioxidativ wirken, all die aggressiven freien Radikale fangen und dabei dem Krebs ein Schnippchen schlagen. Obst und Gemüse sind zwar randvoll mit diesen Farb-, Aroma und Bitterstoffen, doch wer will schon einfach mehr Obst und Gemüse essen? Aber was bleibt von der herrlichen Kombiwirkung übrig, wenn man einzelne Stoffe isoliert und künstlich in andere Lebensmittel verpflanzt?
     
Japan und die USA: Massenexperimente mit Functional Food
     
    Es gibt mehr offene Fragen als Antworten, und trotzdem treibt die Gesundheitshoffnung seltsame Blüten. In Japan trinken Sekretärinnen Buttermilch, die mit dem Pflanzenfarbstoff Anthozyanin angereichert wurde. Es heißt, der Stoff, aus dem Pflaumen, Rotkohl und Blaubeeren ihre schöne dunkelrote Farbe beziehen, sei gut für die Augen. Und so nimmt, wer im Fernen Osten den ganzen Tag vor dem Computer sitzt, halt ein Schlückchen aus der Buttermilchflasche für die Netzhaut. Doch haben Functional-Food-Freaks wirklich den Durchblick? Warum essen die Sekretärinnen in Japan nicht einfach Blaubeeren, Pflaumen oder Rotkohl? Dann hätten sie obendrein jede Menge andere bioaktive Wirkstoffe wie Vitamin C und all die vielen tausend sekundären Pflanzenstoffe zu sich genommen.
    Im fernen Japan is(s)t man den Europäern offensichtlich Lichtjahre voraus: Gegen Heuschnupfen gibt es dort antiallergene Bonbons. Mit einem Collagensüppchen wollen sich die Damen im Land der aufgehenden Sonne die Haut faltenfrei essen. Die Therapie mit Messer und Gabel wurde unter der Bezeichnung »Foshu« – ein Kürzel für »Foods of Specified Health Use«, zu deutsch: Nahrungsmittel mit gesundheitlichem Nutzen – bereits 1993 in Japan eingeführt. Wenn es um die Lebensmittelaufbereitung geht, ist man dort äußerst kreativ. Gegen jede Krankheit gibt es in Japan heute prophylaktisch etwas zu futtern, doch gesünder ist man auf der Insel nicht, im Gegenteil: Trotz Foshu-Fortschritt sind auch in Japan Zivilisationskrankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes gewaltig auf dem Vormarsch.
    Auch in den USA geht man ganz locker mit Designerfood um. Schon seit Jahren schmieren sich die Amerikaner »Take Control« gegen das böse Cholesterin aufs Brot. Auch mit Zusätzen in Frühstückscerealien, Müsliriegeln und Diätgetränken wollen die Menschenauf der anderen Seite des Atlantiks gesund, schlank und vor allem jung

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