Schmeckt's noch?
Trauben muss jedoch gerechnet werden — insbesondere bei Kindern.
Die Gesundheitsbehörden geben Entwarnung. Anlass zur Sorge bestehe erst dann, wenn der ADI über einen längeren Zeitraum regelmäßig überschritten werde. Denn der ADI bewerte die chronische Toxizität — also eine Wirkung, die erst bei regelmäßiger Aufnahme auftrete. Einmalige oder gelegentliche Überschreitungen des ADI werden daher toleriert.
Nun ist aber seit längerem bekannt, dass manche Pestizidwirkungen bereits bei einmaligem Konsum auftreten können. 1995 hat die WHO aus diesem Grund erstmals für ein Pestizid eine so genannte Akute Referenz-Dosis ( ARfD ) festgelegt, um das Gesundheitsrisiko bei einmaliger Aufnahme zu bewerten. Doch die Mühlen der Risikobewertung mahlen langsam. Von den mehr als 400 derzeit in der EU zugelassenen Pestiziden ist bis dato erst bei knapp einem Drittel untersucht worden, ob die Ermittlung einer Akuten Referenz-Dosis ( ARfD ) angebracht ist. Bei 59 Wirkstoffen erkannten die Behörden eine mögliche Gesundheitsgefährdung bereits durch einmaligen Konsum und legten daher eine ARfD fest. Im Falle des Iprodion fand die EU allerdings die Festlegung einer ARfD nicht für nötig. Interessanterweise waren die US-amerikanischen Kollegen da anderer Meinung und legten 1999 für Iprodion eine ARfD fest von 0,067 mg/kg.
Glaubt man den amerikanischen Gesundheitsbehörden, kann bereits der einmalige Konsum von Iprodion unsere Gesundheit gefährden. Und zwar bei einem Kind allein schon — bei Ausschöpfung der gesetzlichen Höchstmenge — mit einer einzigen Portion Salat oder Trauben (80 Gramm).
Kombinationswirkung von Pestiziden — der Cocktaileffekt
Eine Schwäche der herkömmlichen Risikobewertung ist, dass sie die Pestizide immer nur einzeln und isoliert ins Auge fasst. Indem wir im obigen Beispiel isoliert die Belastung durch Iprodion herausgegriffen haben, konnten wir in Anbetracht der realen Belastungssituation mit Iprodion Entwarnung geben, zumal wir gelegentliche ADI-Überschreitungen als unbedenklich definiert haben.
Betrachten wir auch den grau markierten Bereich in obiger Tabelle, dann sehen wir: Iprodion ist zwar eines der häufigsten Pestizide, aber doch nur eines unter über 200 Pestiziden, die in unseren Menüplan Eingang finden. Allein in Erdbeeren findet man 66 verschiedene Pestizidwirkstoffe. Eine durchschnittliche Erdbeere ist mit fünf Pestiziden belastet. Rekordhalter sind die Tafeltrauben, die mit bis zu 17 verschiedenen Pestiziden in einer Probe aufwarten konnten. Und auch Salat weist in der Regel Mehrfachbelastungen mit durchschnittlich 3,5 Pestiziden auf einem Salat auf. Das heißt, Iprodion ist im Regelfall nicht das einzige Pestizid in Salat. Überschreitungen des ADI oder der ARfD können daher auch von anderen Pestiziden herrühren.
Manchmal ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Ist es da nicht denkbar, dass die Kombination von zwei oder mehr Stoffen neue Wirkungsweisen hervorbringt, die keiner der Einzelsubstanzen zugeschrieben wurden, oder dass bekannte Wirkmechanismen eines bestimmten Stoffes durch die Einwirkung eines anderen Stoffes verstärkt werden? Solche Wirkzusammenhänge werden in der Tat durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegt. Ein Beispiel aus dem Alltag: Wenn die Wirkung von Alkohol durch die Einnahme von Medikamenten verstärkt wird, ist dies auch nichts anderes als eine Kombinationswirkung.
Derzeit beschränkt die „Schädlingsbekämpfungsmittel-Höchstwerteverordnung“ nur die Höchstmenge für einzelne Pestizide. Der Summe der Pestizide in einem Produkt ist keine gesetzliche Schranke gesetzt.
Wie in Zukunft Kombinationswirkungen von Pestiziden im Rahmen der Risikobewertung erfasst werden können, ist Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Erst Anfang 2005 hat das EU-Parlament beschlossen, dass mögliche Kombinationswirkungen von Pestiziden bei der Festlegung von Höchstwerten zu berücksichtigen seien. Wie dies konkret umgesetzt werden kann, darüber sind sich die Experten noch nicht einig. Bleibt uns also nur zu hoffen, dass die vorgesehenen Sicherheitsspielräume bei der Festlegung der ADI-Werte ausreichend sind, um die fehlende Berücksichtigung von Cocktaileffekten „ abzupuffern “ bzw. aufzufangen. Sehen wir uns also genauer an, wie der ADI bzw. die ARfD zustande kommen.
Die Risikobewertung
Die Risikobewertung geht davon aus, dass die meisten Giftstoffe ihre schädliche Wirkung erst ab einer bestimmten Menge
Weitere Kostenlose Bücher