Schmerzlos: Thriller (German Edition)
rollte ins Wohnzimmer. Dann riss er die Haustür auf und wendete den Rollstuhl.
»Raus hier.«
»Sie müssen mir zuhören«, sagte Delaney.
» Raus.«
Delaney trat auf ihn zu.
»Coyote will den Genpool säubern. Er bringt Frauen um, die schwanger sind.«
»Dann beschützen wir Evan eben. Sie können nicht von ihr verlangen, dass sie das Kind abtreibt.«
»Aufgrund der Schwangerschaft steht sie ganz oben auf Coyotes Liste. Was wollen Sie denn tun? Mit ihr nach Australien auswandern? In den Himalaja? Das reicht nicht. Er würde sie finden.«
»Nein. Auf gar keinen Fall. Das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.«
»Jesse …«
»Sie sind doch Katholik, oder? Was zum Teufel ist mit Ihnen los?«
»Selbst wenn ihr zum Mond fliegen würdet, könnte sie immer noch sterben, wenn sie das Baby bekommt. Sie muss die Schwangerschaft beenden.«
Entsetzt stellte Jesse fest, dass Delaney überhaupt nicht wütend auf ihn war.
»Könnte? Sie soll abtreiben auf der Basis von könnte? Mr. Delaney, das ist Ihr Enkelkind. Und mein …«, er musste schlucken, »… mein Kind.«
»Dana West war nicht die Erste, die ein missgebildetes Baby zur Welt gebracht hat. Bei anderen war es auch so, und bei Evan könnte es genauso sein.« Delaney blieb vor ihm stehen. »Jesse, dieses Kind wird vielleicht nicht leben. Wenn es mit neurologischen Missbildungen zur Welt kommt, wird es nach ein paar Stunden sterben.«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie da verlangen?« Seine Stimme war plötzlich weg, er konnte sich kaum noch hören. »Sie soll das Kind umbringen, weil es vielleicht nicht leben wird? Das ist grauenhaft. Vielleicht ist das Baby ja kerngesund. Nein. Nein.«
»Wenn das Baby nach der Geburt stirbt, wird Evan sich die Schuld daran geben.«
Der Schmerz in Delaneys Stimme war nicht zu überhören. Jesse schloss die Augen.
»Bitte verlangen Sie das nicht von ihr.«
»Wir wissen nicht, was diese Krankheit auslöst. Es könnte durchaus sein, dass es eine Schwangerschaft ist. Wir dürfen kein Risiko eingehen. Evans Leben steht auf dem Spiel …«
»Aber das wissen Sie nicht …«
»Sie haben das Video von Dana West gesehen.«
»Das können wir nicht tun. Und falls eine Schwangerschaft wirklich der Auslöser ist, dann ist Evan doch schon …«
»Das ist nicht gesagt. Bei einer Schwangerschaft erhöht sich der Hormonspiegel. Das endokrine System verändert sich, der Stoffwechsel des Körpers passt sich an. Es könnte sein, dass einfach irgendwann eine Schwelle überschritten, dass eine Art Sättigungsgrad erreicht wird. Ein Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt.«
Jesse schüttelte den Kopf. »Es muss eine andere Möglichkeit geben. Fragen Sie Maureen Swayze. Sie hat den Schmerzimpfstoff entwickelt. Sie weiß, was das für ein Zeug ist. Und wie es funktioniert.«
»Sie wird diese Information nicht rausrücken. Das nationale Sicherheitsgesetz verpflichtet sie zur Geheimhaltung.«
»Dann bringen Sie sie dazu, es uns zu sagen.«
»Nein. Sie riskiert in dieser Beziehung noch mehr als ich. Außerdem wäre es sehr gefährlich, noch jemandem von der Schwangerschaft zu erzählen. Wenn es erst mal bekannt ist, können wir nicht mehr verhindern, dass Coyote es auch erfährt.«
Jesses Finger krampften sich um die Greifreifen des Rollstuhls. »Ich kann das nicht tun. Es muss eine andere Möglichkeit geben.«
»Es gibt keine. Ich habe mir die ganzen letzten vierundzwanzig Stunden das Gehirn zermartert, um eine andere Lösung zu finden, aber es gibt keine. Und während Sie dasitzen und mit mir diskutieren, verschlechtern sich die Chancen für Evan immer mehr. Jede Sekunde, die wir zögern, bringt sie noch mehr in Gefahr.«
Im Haus war es plötzlich stickig. Jesse zerrte am Knoten seiner Krawatte und riss sie sich schließlich vom Hals.
»Ich soll mich also entscheiden? Evan oder das Baby?«
»Das Leben meiner Tochter steht auf dem Spiel. Warum zum Teufel würde ich Sie sonst um so was Schreckliches bitten?« Delaney machte einen Schritt auf ihn zu. »Das Leben fordert einem manchmal schwere Entscheidungen ab. Wenn Sie Evan auch nur annähernd so lieben wie ich, werden Sie darüber nachdenken. Und Sie werden es verstehen.«
Jesse rollte zur Glasfront im Wohnzimmer. Er wollte aufspringen, über den Sand rennen und sich ins Meer stürzen, um zu schwimmen. Er wollte untertauchen und schwimmen, schwimmen, immer weiter in den Pazifik hinaus, bis dieser Albtraum und die Möglichkeit, dass er
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