Schmerzlos: Thriller (German Edition)
weitergeleitet? Oder verkauft?«
»Wovon reden Sie eigentlich?«
»Coyote wird mit Informationen über unsere Klasse versorgt. Und ich glaube, sie stammen aus dieser Praxis.«
»Großer Gott. Nein, das würde ich nie tun.«
»Wer ist es dann? Ihre Arzthelferin? Ihre Buchhalterin? Haben Sie Firewalls installiert, damit niemand von außen in Ihr Computersystem eindringen kann? Hat Ihre Praxis elektronischen Zugang zum Patientenarchiv des Krankenhauses von China Lake?«
Von Cantwells jovialer Art war nichts mehr zu spüren.
Tommy beugte sich vor. »Schweigen Sie ruhig, aber ich komme wieder, und dann bringe ich einen Durchsuchungsbeschluss mit und werde Ihr gesamtes Personal befragen. Wann ist Ihnen aufgefallen, dass die Leute aus unserer Klasse krank werden?«
Cantwell versuchte, sein freundliches Beichtvaterlächeln aufzusetzen, ließ es dann aber. Seine Finger umklammerten die Krawattennadel.
»Dr. Cantwell«, drängte Tommy.
Cantwell saß völlig reglos da und sagte kein Wort.
»Phoebe Chadwick, Shannon Gruber, Linda Garcia, Dana West, vielleicht Sharlayne Jackson. Wir wissen, dass sie alle an einer Form der spongiformen Enzephalopathie litten. Und Valerie Skinner hat dasselbe.«
»Seit wann wissen Sie es, Dr. C?«, fragte Tommy.
Cantwell starrte stumm auf seine Schreibtischunterlage.
»Das Seltsame daran ist, dass Valerie Ihnen bei unserem Klassentreffen aus dem Weg gegangen ist, weil sie es nicht ertragen konnte, noch einem Arzt zu begegnen, der ihr nicht helfen kann.«
Ich wartete darauf, dass er zusammenzuckte, und er tat mir den Gefallen.
»Aber mir hat sie sich anvertraut. Sie leidet an kompletter Schlaflosigkeit. Sie ist von Kopf bis Fuß mit Blutergüssen und blauen Flecken übersät, weil sie keine Schmerzen mehr empfinden kann. Ihr Gehirn besteht nur noch aus Löchern, und die Ärzte wollen bei ihr keine invasiven Untersuchungen mehr durchführen. Sie reden von Amyloidablagerungen und spongiformer Enzephalopathie.«
Seine Stimme war kaum zu verstehen. »Bei Shannon Gruber habe ich es zuerst vermutet. Panikattacken und Schlaflosigkeit.«
Mein Blutdruck schoss in die Höhe. »Haben Sie etwa gewusst, dass es eine übertragbare spongiforme Enzephalopathie ist?«
»Darauf bin ich erst nach ein paar Jahren gekommen. Linda Garcia war eine Patientin von mir. Die Magersucht war eine Folgeerscheinung kompletter Schlaflosigkeit und sensorischer Defizite. Da wurde mir klar, was es ist.«
Tommy starrte ihn ungläubig an. »Und Sie haben nichts unternommen?«
»Die Frauen waren meine Patientinnen. Ich war für sie verantwortlich.«
»Wann haben Sie erkannt, dass diese Krankheit zu angeborenen Missbildungen führen kann?«
Es gibt nicht viel, das schlimmer ist, als mit ansehen zu müssen, wie ein Mensch innerlich zerbricht. Cantwell fiel förmlich in sich zusammen. Sein Kopf kippte nach vorn, bis sein Kinn auf seiner Brust ruhte. Einen Moment lang blieb er reglos sitzen, dann holte er tief Luft und brach in heftiges Schluchzen aus. Tommy war sprachlos. Ich auch.
»Ich wollte doch nicht, dass das passiert! Ich hab es nicht gewusst. Sie müssen mir glauben.« Cantwell schlug die Hände vors Gesicht. »Linda Garcia. Sie wurde krank, nachdem sie ihr Baby verloren hatte.«
»Was für ein Baby?«, fragte ich.
»Es kam neun Wochen zu früh zur Welt und hatte schwere neurologische Ausfallerscheinungen. Kurz nach der Geburt ist es gestorben«, sagte er. »Und Sie haben überhaupt nichts verstanden. Es sind keine angeborenen Missbildungen. Es ist noch viel schlimmer.«
Ich krallte meine Finger in die Armlehnen. Tommy warf mir einen besorgten Blick zu.
»Teratogenese. Kennen Sie das Wort?«, fragte Cantwell.
Es kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich schüttelte den Kopf.
»Aus dem griechischen teras für Monster. Wörtlich übersetzt bedeutet es Monstergeburt.«
Tommy ballte die Hände zu Fäusten. »Wie bitte?«
»Der Schmerzimpfstoff«, sagte ich.
Cantwell nickte. »Er kann schwere erblich bedingte Missbildungen beim Fötus hervorrufen, aber das ist noch nicht alles. Er ist nicht nur teratogen, sondern auch noch mutagen.«
»Er löst Mutationen aus?«, fragte Tommy.
»Der Impfstoff führt zu einer Veränderung der Chromosomen beim Wirt. Ich hatte nie Zugang zu der pharmakologischen Formel, und den genauen Mechanismus der Interaktion kenne ich auch nicht. Aber ich vermute, dass der Impfstoff die DNA der Mitochondrien beeinflusst, sodass er im genetischen Code verankert und an die Kinder
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