Schmerzlos: Thriller (German Edition)
dass er in der Nähe war, als Ceci Kellys Leiche gefunden hat. Vielleicht ist sie deshalb sein nächstes Opfer geworden.«
Meine Kehle war immer noch staubtrocken. »Ich dachte, solche Typen suchen sich ihre Opfer zufällig aus.«
»Es gibt immer eine Struktur«, erklärte Heaney. »Ob Teenager, Anhalterinnen, Prostituierte – der Killer fühlt sich zu seinem Opfer hingezogen, weil er nach etwas ganz Bestimmtem sucht.«
»Gab es noch andere Opfer?«
»Es schaut ganz danach aus, als hätte er letztes Jahr in der Gegend von Seattle zugeschlagen. Whidbey Island, eine Frau namens Carla Dearing. Es gab Ähnlichkeiten zu unserem Fall«, erwiderte Tommy.
»In seiner Handschrift«, ergänzte Heaney. »Schnitte, die an Klauenspuren erinnern.«
»Großer Gott.«
Ich wusste, dass Heaney sein Täterprofil anhand von Fakten erstellt hatte, die er mir verschwieg. Tatortanalysen, Autopsieergebnisse, die bestialischen Wunden bei Kelly, Demütigung, Verstümmelung und Schmerz.
Eine sexuelle Komponente. Ich konnte es nicht fassen.
»Dieser Killer ist alles andere als typisch, stimmt’s?«, fragte ich.
»Coyote passt zu dem, was wir als Attentäterprofil bezeichnen«, antwortete Heaney.
»Was heißt das?«
»Einzelgänger. Emotional gestört. Nachtaktiv. Führt ständig Tagebuch.« Er beugte sich vor. »Diese Persönlichkeit ist noch gefährlicher als die meisten Serienmörder.«
»Noch gefährlicher?« Das fehlte uns gerade noch. »Inwiefern?«
»Die meisten Serienmörder suchen sich Opfer aus, von denen sie wissen, dass sie mit ihnen fertig werden, und sie tun alles, um nicht erwischt zu werden. Doch Killer aus dieser speziellen Gruppe sehen ihre Morde als Mission an, als eine Art Auftrag. Und sie würden alles tun, um diese Mission zu vollenden. Sogar sterben.«
Ich holte tief Luft. »Haben Sie den Codenamen Coyote mit dem Projekt South Star in Verbindung bringen können?«
»Kein Kommentar.«
»Mein Informant hat mich gebeten, diesen Namen an Sie weiterzugeben, damit das FBI sich durch das Dickicht der nationalen Sicherheit schlagen kann. Also? Haben Sie?«
Angesichts der allgemein bekannten Rivalität zwischen den Nachrichtendiensten ging ich davon aus, dass sich Heaney die Gelegenheit nicht entgehen ließ, seine Kollegen bei einer Mauschelei zu erwischen.
»Noch nicht«, sagte er. »Zurzeit ist Coyote ein praktisches Kürzel für uns. Und egal, ob es tatsächlich der Codename eines Agenten ist, der im Rahmen eines abgebrochenen Militärprogramms ausgebildet wurde, es passt. Kojoten sind Einzelgänger und jagen allein. Nacht für Nacht, genau wie Serienmörder.«
Sein Verhalten hatte sich nicht verändert, doch der Ausdruck in seinen Augen wirkte jetzt alles andere als gelassen. In seinen Augen stand die kontrollierte Ruhe eines Mannes, der das Tor zur Hölle geöffnet und das Heulen dahinter vernommen hat.
Tommy meldete sich zu Wort. »Hast du schon mal darüber nachgedacht, ob es nicht vielleicht einen anderen Grund dafür gibt, dass dein Informant gerade dich rausgepickt hat – abgesehen davon, dass du Journalistin bist?«
»Ich stamme aus China Lake. Die Opfer waren ehemalige Mitschülerinnen von mir.«
»Nein. South Star. Dieses ultrageheime Projekt. Könnte es sein, dass dein Vater daran mitgearbeitet hat?«
Mir ging es wirklich nicht gut. Schmerzen machten sich jetzt in Kopf und Gliedern breit, und mein Magen rebellierte.
»Mein Vater war beim NAVAIR. Das war sein Leben: die Lufthoheit der Vereinigten Staaten. Er hat dafür gesorgt, dass unsere Jungs da oben am Leben geblieben sind. Mein Informant hat gesagt, dass South Star kein Projekt der Navy war, und das bedeutet, dass mein Vater nichts damit zu tun hatte.«
Weder Tommy noch Heaney äußerten sich dazu.
»Ihr glaubt, dass mein Vater ein Spion war«, sagte ich. »Das war er nicht. Aber selbst wenn er es gewesen wäre, wüsste ich nichts davon. Und ihr auch nicht.«
Tommys Finger umklammerten eine Handvoll Salzstangen. »Evan, ist dein Vater der Informant?«
Deshalb waren sie also hier. Deshalb waren sie noch vor Sonnenaufgang hundert Kilometer gefahren.
»Nein.« Ich hielt Tommys Blick stand. »Er ist es nicht.«
Ich weiß nicht, ob es der Ausdruck in meinen Augen war, mein Verhalten oder mein Tonfall, jedenfalls schien er mir zu glauben.
»Meinst du, er könnte uns ein paar Hintergrundinfos beschaffen, die uns bei den Ermittlungen weiterhelfen?«
»Ich habe ihn gefragt. Er ist schon dabei.«
»Gut. Wir brauchen jede Hilfe, die wir
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