Schmerzlos: Thriller (German Edition)
aus China Lake zu verschwinden.
Während er seinen mit Mohn bestreuten Muffin verspeiste, schaltete Coyote seinen Laptop ein. Tarnung war eine Kunst, bei der es darum ging, die Leute das sehen zu lassen, was sie sehen wollten. Und heute sahen sie einen Mann, der an einem Ecktisch hockte, eine Brille auf der Nase und ein weites, offenes Hemd über seinem T-Shirt und der khakifarbenen Hose. Einen adrett angezogenen großen Jungen mit einer Baseballmütze auf dem Kopf, dem der Erwartungsdruck ins Gesicht geschrieben stand. Eines von diesen Weicheiern, ein Drehbuchautor, der sich über die Entwicklung seiner Charaktere Sorgen machte. Wem fallen am Sunset Boulevard schon Drehbuchautoren auf?
Das Starbucks hatte einen WLAN-Hotspot, und Coyote meldete sich auf der Website seiner Bank an. Das Konto war gut gefüllt. Es war Zeit, ein Hotelzimmer zu finden und mit der nächsten Phase zu beginnen. Es sollte ein hohes Gebäude sein, und ein Raum im obersten Stockwerk, von dem aus er die Stadt überblicken konnte. Zwar würde er auch dort nicht schlafen können, aber die Höhe half ihm beim Denken.
Seine Souvenirs vom Klassentreffen der Bassett Highschool waren im Werkzeugkasten auf der Ladefläche seines Pick-ups eingeschlossen. Das Jahrbuch, die Mappe mit der Klassentreffen-Zeitung, die Biopsieproben; er hatte reiche Beute gemacht. Die Proben zu gewinnen, war eine diffizile Angelegenheit gewesen, und schwierig zu vereinbaren mit dem, was vor dem Tod der Frauen mit ihnen passiert war. Coyote musste lächeln. Das Natriumhypochlorit im Abflussreiniger hatte sich tiefer als erwartet in Kelly Colfax’ Oberschenkel gefressen. Und er wusste immer noch nicht so richtig, was er mit den Ergebnissen aus der Untersuchung ihrer Eingeweide machen sollte. Er hatte viel zu tun. Die Röntgenaufnahmen von Ceci Lezak mussten noch digitalisiert und hochgeladen werden, was einige Zeit in Anspruch nahm und unbeobachtet geschehen musste. Er warf einen Blick nach draußen: Der Pick-up war sicher. Er konnte das Amulett sehen, das am Rückspiegel hing und in der Sonne glitzerte. In ihm verbarg sich all seine Energie und das Geheimnis seiner Unbesiegbarkeit. Er rückte den Kragen seines Hemdes zurecht, um das obere Ende seiner Narbe zu verdecken, die an Klauenspuren erinnerte.
Coyote meldete sich von der Website seiner Bank ab und wechselte zu Expedia, wo er nach Hotels suchte. Hohe Gebäude mit Aussicht auf die Hügel von Hollywood. Ein Junge kam an den Tisch und fragte, ob er abräumen konnte. Coyote starrte schweigend auf den Monitor seines Laptops.
Andere Menschen gingen ihm auf den Wecker. Unter die Haut. Und Zivilisten nervten ihn ganz besonders. Die Ungewaschenen. Die Untrainierten und Unwissenden. Die Unwürdigen. Sie wollten ihr simples, weichgespültes Leben führen, mit Prozac und Fahrradwegen und Fettabsaugen. Von den Opfern und den Fähigkeiten der Krieger, die ihnen dieses dekadente Dasein ermöglichten, wollten sie nichts wissen.
Den einsamen Jäger in ihrer Mitte wollten sie nicht wahrnehmen.
Der Junge wiederholte seine Frage. Ohne den Kopf zu heben, schob ihm Coyote die Kaffeetasse hin. Das war nur ein Requisit. Menschen wie er brauchten kein Koffein. Der Junge nahm die Tasse und ging.
Expedia zeigte jetzt eine Liste mit Hotels in der Nähe an. Hotels mit den richtigen Ausmaßen. Gut.
Coyote spürte, wie seine Energie ins Fließen kam. Die Puzzleteile passten. Alles fügte sich zusammen wie eine Kette, ein Glied griff ins andere. Die beiden Frauen in China Lake waren mehr als eine gute Gelegenheit gewesen. Sie waren der Beweis. Sie waren die Rechtfertigung für seine Mission. Sie hatten ihre Aussage gemacht und den Weg gewiesen.
Zum nächsten Glied in der Kette.
8. Kapitel
Um acht Uhr fuhr ich nach Hause. Jesse folgte mir in seinem Pick-up, einem großen schwarzen Toyota, den er sich zugelegt hatte, nachdem ich ihn überredet hatte, mir den Mustang zu verkaufen. Er hielt an und wartete mit dem Ellbogen auf den Fensterrahmen gestützt, bis ich das Gartentor geöffnet hatte.
»Komm doch mit ins Büro. Arbeiten kannst du auch noch später. Ich mach eine Ecke auf meinem Schreibtisch für dich frei.«
Ich winkte ihm zum Abschied zu.
Als ich im Haus war, las ich meine E-Mails und starrte eine Weile das Telefon an, als könnte ich meinen Vater so zum Anrufen bewegen. Dann hörte ich die Stimmen von Männern, die den kleinen Weg aufs Haus zukamen. Es waren die Handwerker, die mein Bad renovierten, Martinez und Söhne. Schon
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