Schmerzlos: Thriller (German Edition)
– aber nicht zwangsläufig Freelancer wie mich – davor, den Namen eines Informanten preisgeben zu müssen. Doch in dem Moment, in dem man ihnen Missachtung des Gerichts vorwarf, mussten sie ihn rausrücken.
Heaney hatte inzwischen bemerkt, warum ich seine Krawatte anstarrte. Peinlich berührt versuchte er, den Fleck wegzuwischen.
»Ich glaube Ihnen, dass Sie uns helfen wollen«, sagte er. »Aber Sie sollten wissen, dass Serienmörder sich häufig in die Ermittlungen zu ihren Verbrechen einmischen.«
Tommy hatte die Zigarette immer noch nicht angezündet. »Sie besuchen die Stammkneipen von Polizisten, sprechen die Beamten an und entlocken ihnen Informationen. Sie geben Lokalsendern Interviews. Und sie genießen die Aufmerksamkeit, die ihre Verbrechen in den Medien erregen.«
»Viele von ihnen wären gerne Polizist geworden«, sagte Heaney. »Private Sicherheitsbeamte, Wachmänner, Leute, die von der Polizeiakademie geflogen sind. Unfähige Verlierer, die von Macht und Kontrolle träumen.«
Ich spürte, wie meine Arme und Beine immer schwerer wurden; in meinem Kopf fing es zu pochen an.
»Mein Informant ist nicht der Killer«, sagte ich.
»Sind Sie sicher?«
»Ganz sicher.« Ein Killer, aber nicht der Killer.
Tommy hielt sich die Zigarette unter die Nase und schnupperte daran, dann steckte er sie sich zerstreut hinters Ohr. Auf der Innenseite seines Handgelenks entdeckte ich ein frisches Nikotinpflaster.
»Wie wär es mit ein paar Salzstangen?«, fragte ich.
Gequältes Lächeln. »Großartige Idee.«
Ich brachte ihm gleich die ganze Tüte. Er nahm sich eine Handvoll Salzstangen und schob sie sich zwischen die Zähne. Ich glaube, wenn er gekonnt hätte, hätte er sich das Salz in die Lungen gesogen.
Er blickte Heaney an. »Wollen Sie ihr was über das Profil erzählen?«
Heaney nickte. »Wir suchen nach einem Weißen in den Dreißigern, möglicherweise auch Anfang vierzig. Er ist gesellschaftlich angepasst. Selbstbewusst und überzeugend.«
»Ich dachte, er ist ein unfähiger Verlierer.«
»Einige Killer sind sehr geschickt darin, sich zu verstellen. Menschen mit geringer sozialer Kompetenz oder der Spinner aus der Nachbarschaft, sie alle können sich nicht einmal für eine Sekunde das Vertrauen des Opfers erschleichen. Daher agieren sie blitzschnell. Sie greifen ohne Warnung von hinten an. Doch dieser Killer – den Sie Coyote genannt haben – hat sich was einfallen lassen, um mit Ceci Lezak allein zu sein. Er bringt seine Opfer mit Worten dazu, das zu tun, was er will. Dazu braucht er keine brutale Gewalt.«
Ich nickte.
»Er ist überdurchschnittlich intelligent und sehr ordentlich, fast schon zwanghaft. Er war beim Militär. Und er führt Listen, er schreibt Tagebücher, er dokumentiert alles«, fuhr er fort. »Das Töten gibt seinem Ego einen solchen Kick, dass er vielleicht sogar Tagebuch über die Meldungen in den Medien führt oder Zeitungsartikel darüber sammelt.«
Der Duft von Sternjasmin hing in der Luft, so süß, dass mir schon wieder übel wurde. Heaney beugte sich über den Tisch, stützte sich mit den Ellbogen auf und legte die Fingerspitzen zusammen. Er wirkte wie ein sanftmütiger Pastor, der seine Pläne für das Picknick der Kirchengemeinde erläutert.
»Außerdem hat er einen irrationalen Hass auf Frauen. Er ist ein Sadist, und er tötet nur aus einem Grund: Er will anderen Schmerzen zufügen.«
Der leichte Wind, der mir die Haare ins Gesicht wehte, fühlte sich wie Stahlwolle an. Heaneys demonstrativ zur Schau getragene Gelassenheit beunruhigte mich. Und zwar gewaltig.
»Er will töten und seinem Opfer vorher so viel Schmerz und Angst wie möglich zufügen. Die sexuelle Komponente bei dem Angriff auf Mrs. Colfax lässt darauf schließen, dass …«
»Dan.« Tommy sah ihn an.
»Was für eine sexuelle Komponente?«
Tommy versuchte, Heaney mit einem scharfen Blick zum Schweigen zu bringen.
»Er hat sie … missbraucht?«
Tommy legte mir sanft die Hand auf den Arm. Ich wollte es hören, aber im Grunde genommen wäre es mir lieber gewesen, wenn er es nie erwähnt hätte. Ich rieb mir die Augen.
»Warum hat er sich zwei Frauen aus meiner Klasse ausgesucht?«, fragte ich.
»Serienmörder brauchen den Nervenkitzel bei der Jagd. Und wenn sie kein Opfer finden können, das zur falschen Zeit am falschen Ort ist, kehren sie dorthin zurück, wo sie bereits Erfolg hatten. So können sie das Ganze noch mal erleben.«
Tommy fuhr sich durch die Haare. »Es ist durchaus möglich,
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