Schmetterlinge im Gepaeck
Naturtalent. Gute Chemiker sind auch gute Bäcker.
Aber warum verbringt er seinen Samstag mit Kuchenbacken, wenn er es nicht muss? Weil er so ein netter Kerl sein will? Oder denkt er, wenn er Zeit mit mir verbringt, verliebe ich mich in ihn? Dabei versucht er noch nicht mal zu flirten. Er hält sich von mir fern und ist ganz auf seine Arbeit konzentriert. Es macht einen wahnsinnig, wenn jemand zwar leicht zu durchschauen, aber überhaupt nicht zu begreifen ist.
Als um zwölf Uhr mittags die Zeitschaltuhr klingelt, gibt Andy einen erstaunten Laut von sich. »Wir kommen gut voran. Wir schaffen das.« Und er lächelt heute zum ersten Mal.
Cricket und ich tauschen ein erleichtertes Grinsen über die Theke hinweg. Andy schaltet das Radio ein und stellt es auf einen Sender, der Oldies aus den Fünfzigern spielt. Die Stimmung in der Küche entspannt sich. Cricket schneidet rhythmisch und präzise im Takt von Peggy Sue Ãpfel in Scheiben, während Andy und ich absolut synchron Teig ausrollen.
»Wir sollten diese Nummer aufs Eis bringen und an den Landesmeisterschaften teilnehmen«, sagt Cricket.
Bei dem Wort »Eis« hält Andy inne. Mein Dad liebt Eiskunstlauf. Das ist â und ich benutze diesen Ausdruck mit Bedacht â das Schwulste überhaupt an ihm. Als ich noch klein war, hat er mich zu Stars on Ice mitgenommen. Wir bejubelten die Läufer mit den elegantesten Drehungen und schleckten blaue Zuckerwatte von unseren Fingern. Andy kaufte mir ein Programmheft voller Fotos von hübschen Menschen in prächtigen Kostümen. Das ist eine meiner schönsten Erinnerungen. Als Calliope dann mit dem Eiskunstlaufen anfing, wollte ich das auch. Wir waren zwar keine Freundinnen, aber ich hielt sie trotzdem für bewundernswert. Was bedeutete, das zu tun, was sie tat.
»Das ist ja ganz nett«, sagte ich nach meiner ersten Stunde. »Aber wann kriege ich ein Kostüm?«
Andy zeigte auf meinen schlichten rosa Turnanzug. »Das ist dein Kostüm, bis du etwas mehr Ãbung hast.«
Ich verlor das Interesse.
Meine Eltern waren sauer. Der Unterricht war teuer, also musste ich die Saison zu Ende machen. Deshalb weià ich, dass Eiskunstlaufen harte Arbeit ist. Als ich dreizehn war, überredete Andy mich noch mal, zu Stars on Ice mitzukommen, aber meine Träumereien davon, dreifache Axel in paillettenbesetzten Röckchen aufzuführen, hatten sich längst in Luft aufgelöst. Ich habe immer noch ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht mal versuchte, Spaà zu haben. Er hat mich nie wieder gefragt.
Andy muss sich nach Calliope erkundigt haben, denn Cricket spricht von ihrem Zeitplan. »Es ist ein rappelvolles Jahr wegen der Olympischen Spiele. Das bedeutet von allem etwas mehr: mehr Training, mehr Werbeaktionen, mehr Stress.«
»Wann erfährt sie denn, ob sie ins olympische Team aufgenommen wird?«, will Andy wissen.
»Wenn sie sich bei den Landesmeisterschaften platziert, fährt sie mit. Die sind im Januar. Im Moment arbeitet sie an ihren neuen Programmen, mit denen sie zu ein paar frühen Grand-Prix-Wettbewerben fährt. Dieses Jahr nimmt sie am Skate America und Skate Canada teil. Dann kommen die Landesmeisterschaften, Olympischen Spiele, Weltmeisterschaften.« Er zählt sie an den Fingern ab.
»Fährst du da überall mit?«, frage ich.
»Zu den meisten. Aber nach Kanada schaffe ich es wahrscheinlich nicht. Das liegt in einer arbeitsreichen Schulwoche.«
»Du hast schon ganz schön viel Eislaufen gesehen.«
Cricket holt das weich gewordene Kürbisfleisch aus den Backöfen. »Oh, tatsächlich? Ist das ungewöhnlich?« Er verzieht keine Miene, aber seine Augen funkeln.
Ich widerstehe dem Drang, mit einem Geschirrtuch nach ihm zu werfen. »Und was war jetzt diese Sache mit ihr und dem zweiten Platz? Am ersten Abend nach eurer Rückkehr hast du gesagt â¦Â«
»Cal ist die talentierteste Eiskunstläuferin seit Jahren, aber sie ist noch nie bei einem wichtigen Wettbewerb zwei fehlerfreie Programme hintereinander gelaufen. Sie ist überzeugt, dass ein Fluch auf ihr liegt. Deshalb wechselt sie ständig die Trainer und wird lieber Dritte als Zweite. Wenn sie Dritte wird, kann sie sich wenigstens darüber freuen, dass sie sich platziert hat. Aber der zweite Platz ist zu nah am ersten.«
Ich habe wieder in meinem Tun innegehalten.
»Der zweite tut weh.« Er sieht mich einen Moment lang
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