Schmetterlinge im Gepaeck
aufgemacht hat.«
»An den erinnerst du dich noch?«
»Oder die Rube-Goldberg-Maschine, mit der man in fünfzig Schritten einen Bleistift anspitzen konnte. Oder die verrückte Reihe aus Dominosteinen, die du zwei Wochen lang aufgestellt hast und die alle innerhalb einer Minute umfielen. Das war unglaublich. Dass eine Sache keinen praktischen Nutzen hat, heiÃt noch lange nicht, dass sie es nicht wert ist, geschaffen zu werden. Manchmal reichen Schönheit und ein bisschen Alltagszauber aus.«
Ich sitze im Schneidersitz da und sehe Cricket jetzt an. »Das ist wie mit meinem Marie-Antoinette-Kleid. Es ist kein bisschen praktisch, aber ⦠einen Moment lang auf einem Ball in einem wunderschönen, kunstvollen Kleid aufzutauchen, das niemand sonst trägt und an das sich alle erinnern werden? Das will ich.«
Cricket sieht über die Lichter der Stadt hinweg zur Bucht. »Du bekommst es.«
»Nicht ohne deine Hilfe.« Ich würde ihn gern freundschaftlich anstupsen, entscheide mich aber stattdessen für eine Stichelei. »HeiÃt das, du fängst morgen endlich mit meinem Panier an oder was?«
»Ich habe schon angefangen.« Er sieht mir wieder in die Augen. »Ich bin heute Abend auch zu Hause geblieben. Aber ich habe nicht nur SüÃigkeiten verschenkt.«
Ich bin gerührt. »Cricket Bell. Du bist der netteste Kerl, den ich kenne.«
»Ja.« Er schnaubt verächtlich. »Ein netter Kerl.«
»Was?«
»So hat mich meine erste und einzige Freundin genannt, als sie mit mir Schluss gemacht hat.«
»Oh.« Das trifft mich. Die Freundin, also doch. »Das ist ⦠ein echt blöder Grund.«
Cricket rutscht rüber und seine Knie stoÃen fast gegen meine. Fast. »Das ist gar nicht so ungewöhnlich. Mit Nettsein gewinnt man keinen Blumentopf und so.«
Inmitten seiner Selbstherabsetzung erkenne ich einen Seitenhieb auf Max, ignoriere ihn aber. »Wer war sie?«
»Eine von Calliopes Freundinnen. Letztes Jahr.«
»Eine Eiskunstläuferin?«
»Meine Sozialkontakte reichen nicht viel weiter.«
Die Nachricht macht mich traurig. Eisläuferinnen sind wunderbar . Und talentiert . Und sportlich begabt . Ich stehe auf und mein Puls pocht mir in den Ohren. »Ich muss nach Hause.«
Cricket sieht auf sein Handgelenk, trägt aber keine Uhr. »Ja, bestimmt ist es superspät. Oder superfrüh.«
Wir steigen die achtzig Stufen zu unserer StraÃenecke hinunter und dann bleibt Cricket plötzlich stehen. »Ach, du wolltest doch über Max reden. Willst du â«
»Ich glaube, heute Nacht waren wir beide dran mit reden«, unterbreche ich ihn mit einem flüchtigen Blick zum Mond. Er ist im zweiten Viertel, fast voll. »Ich dachte, es sollte um Max gehen, aber ich habe mich geirrt. Es war nötig, dass wir über dich reden.« Ich zeige auf meine FüÃe.
Ich stehe auf dem Wort BELL .
Es ist auf einem Gitter der Telefongesellschaft Pacific Bell aufgeprägt. Sie sind überall, auf jeder StraÃe. »Siehst du?«, frage ich.
»Immer wenn ich die Dolores Street sehe, denke ich an dich.« Seine Worte sprudeln nur so heraus. »Dolores Park. Dolores Mission. Du bist überall in der Gegend, du bist diese Gegend.«
Ich schlieÃe die Augen. Er sollte so etwas nicht sagen, aber ich will auch nicht, dass er aufhört. Ich kann auf keinen Fall mehr leugnen, dass er mir etwas bedeutet, obwohl ich noch nicht den Mut habe, es beim Namen zu nennen. Noch nicht. Trotzdem ist es da. Ich mache die Augen wieder auf und ⦠er ist weg.
Er geht rasch die Treppe zu seinem Zuhause hinauf.
Noch ein verschwundener Halloween-Geist.
Kapitel dreiundzwanzig
I c h probiere gerne neue Sachen aus. So, wie ich in meinem ersten Highschool-Jahr Veganerin wurde. Es dauerte nur drei Tage, weil ich Cheddarkäse vermisste, aber immerhin habe ich es versucht. Und ich setze ständig Hüte in Geschäften auf. Sie sind das einzige Accessoire, das ich noch nicht für mich nutzen konnte, aber ich versuche es weiter, denn ich bin ganz sicher, dass ich eines Tages den richtigen für mich finde. Vielleicht wird es ein Zwanziger-Jahre-Topfhut voller falscher Pfingstrosen oder ein mit einem roten Tuch verzierter Stetson.
Ich werde ihn finden. Ich muss nur weiter alle aufprobieren.
Deshalb ärgert es mich, wenn Lindsey sagt, ich gäbe mir nicht genug Mühe bei meiner Suche nach etwas, womit
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