Schmetterlingsgeschichten - Chronik I - Genug geschlafen (German Edition)
sich, mit
welcher Gelassenheit die Deutschen das Warten akzeptierten. In den Staaten,
oder eigentlich jedem anderen Land, hätte sich jetzt schon mindestens einer
beim Filialleiter beschwert oder lauthals seiner Unzufriedenheit Freiheit
verschafft.
Die
drei Security-Männer schien das nicht zu stören, standen sie doch nur rum und
beobachteten.
Irgendwie
überkam sie gerade ein komisches Gefühl.
Sie
merkte, wie sich der Fremde hinter ihr in die Schlange einordnete – aber es
musste so ungefähr begonnen haben, als er die Filiale betreten hatte.
Es
war so… warm.
Sie
musste sich gestehen, sie war ein bisschen unruhig. Was war das?
Ihre
Hände zitterten.
Ihre
Hände hatten noch nie gezittert!
Was
war los mit ihr? Außerdem erreichte sie ein Duft, der…ja, was? So vertraut war?
Sie
atmete tief ein. Er etwa auch?
Sie
war kurz davor, sich umzudrehen.
E r hatte
die Hände in den Taschen seines Parkers, als er die Bank betrat. Es war abgesprochen,
dass er als Erster reinging und den Anwesenden klar machte, um was es sich
handelte. Ron und Mike sollten für die nötige Aufmerksamkeit sorgen und die
Sicherheitsleute in Schach halten. Das war der Plan. Simpel.
Er
ging an dem Geldautomaten vorbei und steuerte direkt zu den Schaltern. In drei
Reihen warteten die Kunden.
Er
griff nach der Pistole in der rechten Tasche und umklammerte sie. Mit der
linken Hand zog er die Handgranate, hielt sie in die Luft und brüllte dabei: »Achtung!!
Das ist ein Überfall. Alle legen sich sofort auf den Boden. Dann wird ihnen
nichts geschehen.«
In
dem Moment stürmten Ron und Mike in die Bank, jeder hatte eine vollautomatische
Uzi in den Händen. Sie schossen ohne Vorankündigung direkt auf die Wachleute
los. Er konnte nur noch »Verdammt, was macht ihr da?« rufen. Doch seine Stimme
ging in dem Lärm der Schüsse unter.
Sie
drehte sich gerade um und schaute ihm direkt in die Augen. Ein Kribbeln durchlief
ihren ganzen Körper – sie war wie hypnotisiert.
Sie
musste ihn anstarren und vergaß die Welt um sich herum.
Es
war mit bisher Erlebtem nicht zu vergleichen. Zum ersten Mal fühlte sie sich
selbst hilflos, ausgesetzt, aber dennoch geborgener als je zuvor. Hier wirkte
eine viel stärkere Macht.
Wie
hinter einem Schleier nahm sie nur vage den Lärm aus dem Bankraum wahr… und als
das Ziehen in ihrer Schulter einsetzte, kam der Schmerz langsam aus weiter
Ferne.
Jens
wollte sie gerade ansprechen, als sie sich zu ihm umdrehte. Ihm fehlten die
Worte. Ihre Augen funkelten wie Smaragde in einer klaren Mondnacht, und er
schaute tiefer in einen Menschen hinein, als er es jemals getan hatte.
Ein
Kribbeln durchzuckte seinen ganzen Körper, als er die Stimme und den Krach
wahrnahm. In dem Weiß ihrer Augen konnte er die Männer mit den Gewehren
gespiegelt sehen. Von da an verlief alles nur noch ganz langsam für ihn.
Er
sah die Kugeln, die sich Richtung Wachmänner bewegten. Er sah die Kugeln, die
auf sie zusteuerten. Ihn überkam ein Hass, eine Wut, ein Zorn. Die erste Kugel
trat gerade in ihre Schulter ein, doch die andere, die auf ihr Herz zielte,
nahm er aus der Luft und warf sie weg.
Er
rannte zu den anderen Geschossen, die noch ihre Opfer suchten, und warf sie
ebenfalls weg. Dann stürmte er zu den Schützen, riss ihnen die Gewehre aus den
Händen, packte ihre Köpfe und drehte sie herum. Einen nach dem anderen.
Alsdann
bewegte er sich auf den Mann mit der Handgranate zu. Er hatte den Mund verzerrt
aufgerissen und blickte zu den Männern, die noch immer im Eingangsbereich
standen. Jens nahm ihm die Granate aus der Hand, legte sie vorsichtig auf den
Boden und packte mit beiden Händen seinen Kopf.
Kurz
schaute er ihn an, als wüsste er, dass von diesem Mann die Geschichte
ausgegangen war.
Er
drehte sich um und rannte zu ihr zurück. Dabei hielt er immer noch den Kopf
fest… doch das Knacken nahm er nicht wahr.
Ihr
Körper bewegte sich schon zum Boden hin. Bevor sie jedoch hinfiel, hatte er sie
sanft in den Armen, setzte sich und nahm ihren Kopf zärtlich in den Schoß. Mit
der einen Hand presste er auf die Wunde, mit der anderen streichelte er ihre
Wange. Sie blickte in sein beruhigendes Lächeln und wusste: es wird alles gut.
******
15.
» D u bist Samis«, hallte es in seinem
Kopf. Sebastian saß auf seinem Bett, starrte auf den Boden und rieb sich die
Stelle, an der jetzt ein blauer Fleck war. Auch wenn er die
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